Weil wir glücklich waren - Roman
Energieunternehmens, und für ihr weiteres Leben schienen ihr alle Möglichkeiten offenzustehen: Ich hatte gehört, wie sie sich mit einem Studienberater über Bewerbungen an der UCLA und in Yale unterhalten hatte. Trotzdem hatte sie nichts getan, wofür sie meine Ablehnung verdient hätte. Fast alle mochten sie. Sie schaffte es zwei Jahre hintereinander in den Homecoming Court für den Schulball. Und im letzten Jahr, einige Monate, nachdem ihr Vater wegen Unterschlagung und Steuerhinterziehung verhaftet worden war, wurde Haylie zur Homecoming Queen gewählt. Vielleicht lag es daran, dass viele Leute sie bemitleideten: Der Name ihres Vaters hatte monatelang jeden Tag in der Zeitung gestanden, und alle wussten, dass ihre Eltern sich scheiden ließen und das Haus beschlagnahmt worden war. Zudem lag ihr kleiner Bruder mit einem Magengeschwür im Krankenhaus. Aber vielleicht hatte es auch einfach nur an Haylies Schönheit und Charme gelegen, die unbesiegt waren und alles überstrahlten.
Kurz danach verschwand sie von der Bildfläche, ebenso wie ihre Mutter und ihr Bruder. Das Haus wurde noch Ende des Frühjahrs zum Verkauf angeboten. Meine Mutter versuchte, bei ihnen anzurufen, aber zu dem Zeitpunkt gab es bereits keinen Telefonanschluss mehr. Darum legte sie eine Nachricht in den Briefkasten in der Löwenstatue. Doch sie hörte nie wieder etwas von Pamela. Die Leute, die das Haus kauften, hatten keine Kinder und rissen das Spielschloss ab, um Platz für einen geräumigen Innenhof mit Grillstelle zu schaffen. Ich hatte nicht direkt mit ansehen müssen, wie das Schloss einstürzte, aber als wir das nächste Mal an dem Grundstück vorbeifuhren, sahen meine Mutter und ich Bruchstücke davon aus einem großen Baucontainer ragen, der auf der Straße stand. »Wie traurig«, kommentierte ich, und meine Mutter nickte, sagte aber nichts. Sie war den Rest des Tages sehr still.
Zu meiner Überraschung tauchte zwei Jahre später, nach dem Zusammenbruch meiner eigenen Familie und meines Zuhauses, Haylie Butterfield wieder auf: als Studentin in meinem Wohnheim. Zuerst erkannte ich sie gar nicht. Auf der Highschool hatte sie pastellfarbene Kaschmirpullis und darauf abgestimmten Haarschmuck getragen. In ihren Ohren hatten kleine Perlenohrringe gesteckt, von denen sie sagte, sie hätten ihrer Großmutter gehört, und das einzige Mal, dass ich sie geschminkt gesehen hatte, war bei der Abschlussfeier gewesen. Als ich ihr zum ersten Mal in Tweete Hall im Fahrstuhl begegnete, trug sie hingegen schwarze Leggings, ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jacke mit eng geschnürtem Gürtel und dazu hochhackige Stiefel, obwohl der Herbst gerade erst angefangen hatte und es draußen etwa fünfundzwanzig Grad warm war. Ihr Haar hatte sie auf Kinnlänge gekürzt und schwarz gefärbt.
Ich starrte sie zuerst gute fünf Sekunden aus zusammengekniffenen Augen an, bis ich sie endlich erkannte. Sie trug roten Lippenstift, der ihre Haut sehr blass machte, und war immer noch schön, vielleicht sogar noch schöner als früher, wenn auch auf eine andere Art.
»Haylie?«
Sie drehte sich um. Sie schien sich nicht zu freuen, mich zu sehen. Es war, als hätte ich neben ihrem Kopf einen Ballon platzen lassen.
»Ich nenne mich jetzt Simone«, sagte sie.
»Was?«, fragte ich. Ich wollte ihr nicht blöd kommen. Ich verstand wirklich nicht, was sie meinte.
»Simone. Das ist mein zweiter Vorname. So nenne ich mich jetzt.« In ihrer Stimme war keine Spur von Wärme, obwohl ich mir sicher war, dass sie mich erkannt hatte. »Und so solltest du mich jetzt auch nennen.« Sie sprach leise und mit einem starren, angespannten Lächeln, obwohl die anderen beiden Mädchen, die im Fahrstuhl waren, sich in einer fremden Sprache unterhielten, Koreanisch vielleicht. Die beiden machten nicht den Eindruck, als interessiere sie, worüber wir redeten, oder als nähmen sie es auch nur zur Kenntnis.
»Ich werd's versuchen«, versprach ich. Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. »Ich ... ich werde mich wahrscheinlich ein paarmal vertun.« Ich lachte dümmlich. »Immerhin kenne ich dich schon mein ganzes Leben lang.«
Sie lachte nicht. Ihre roten Lippen waren zu einem kalten Lächeln verzogen. »Gib dir Mühe«, verlangte sie. Als die Tür aufging, stieg sie aus und warf mir über die Schulter einen Blick zu. »Wenn du glaubst, dass du es nicht hinkriegst, ist das auch nicht schlimm. Du brauchst mich überhaupt nicht anzusprechen.«
Als ich das nächste Mal Dienst hatte,
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