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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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suchte ich ihren Namen in der Liste der Bewohner. Sie war als Erstsemester aufgeführt, und als Heimatadresse wurde eine Stadt genannt, von der ich noch nie etwas gehört hatte. Das war alles, was ich herausfand. Seit der Verhaftung ihres Vaters zwei Jahre zuvor hatte sie, während ich auf dem College war, irgendetwas anderes gemacht.
    Als ich das nächste Mal meine Mutter sah, erzählte ich ihr von Haylies schwarz gefärbtem Haar, den dunklen Klamotten und natürlich von dem neuen Namen. Ich glaubte nicht, dass Simone wirklich ihr zweiter Vorname war. Bestimmt hätte ich irgendwann davon gehört, und wenn er wirklich Simone gewesen wäre, hätte ich mich daran erinnert.
    »Ich weiß nicht, ob ich das kann«, zweifelte ich, während ich zusammengeknülltes Zeitungspapier aus unseren alten Trinkgläsern zog. Wir waren in der neuen Küche meiner Mutter, und ich half ihr beim Auspacken. »Es ist so, als würdest du auf einmal zu mir sagen, ich solle dich zum Beispiel ... Suzie statt Mom nennen.«
    Meine Mutter, die gerade ihren großen Crockpot ganz unten aus einem Karton holte, hörte mir mit leicht düsterer Miene zu. »Ich frage mich, was aus ihrer Mutter geworden ist«, sagte sie und schaute an meiner Schulter vorbei aus dem Fenster, als hoffte sie, Mrs. Butterfield vor unserem Haus vorbeijoggen zu sehen. Dabei waren wir in der neuen Wohnung meiner Mutter, im dritten Stock, und draußen gab es nichts zu sehen außer der Wand eines Nachbarhauses. Sie drehte sich langsam um und betrachtete die leeren Umzugskartons, die auf dem Boden herumstanden. »Lass sie in Ruhe, Liebes«, fügte sie hinzu. »Denk daran, was sie mitgemacht hat. Ihr Vater sitzt im Gefängnis. Für sie hat sich alles verändert. Wenn das arme Mädchen jemand anderes sein will, dann lass sie.«
    Ich war ganz ihrer Meinung. Ich hatte nicht den Wunsch, Haylie zu quälen oder ihr in irgendeiner Weise Steine in den Weg zu legen, wenn sie sich ein neues Leben - wie immer es auch aussehen mochte - zurechtzimmern wollte. Als ich sie das nächste Mal im Speisesaal sah, sagte ich, ohne mit der Wimper zu zucken: »Hi, Simone.« Aber sie sah verlegen, ja sogar verärgert aus und schlug ihre schwarz geschminkten Augen nieder, als ich an ihr vorbeiging. Offensichtlich war es ihr lieber, wenn ich mich für die zweite Möglichkeit entschied, die sie mir angeboten hatte, und sie überhaupt nicht ansprach.
    Und genau das tat ich auch. Wenn ich sie in den nächsten drei Monaten sah, tat ich so, als würde ich sie nicht kennen - und sie tat so, als würde sie mich nicht kennen. Am Anfang war es ein komisches Gefühl, aber wie bei den meisten Dingen, die einem zuerst seltsam vorkommen, schien es irgendwann ganz normal zu sein. Oder vielleicht fiel sie mir auch einfach nur nicht mehr besonders oft auf.
    Vermutlich hätte es für den Rest des Jahres so weitergehen können, dass wir einander in der Eingangshalle ignorierten und Seite an Seite im Fahrstuhl standen, ohne einander auch nur anzuschauen. Aber an dem Donnerstagmorgen, an dem Jimmy Liff mich abholte, um mir den Weg zu seinem Wohnhaus zu zeigen, saß Haylie - Simone - Butterfield auf dem Beifahrersitz seines MINI Cooper.
    »Kennt ihr euch?«, fragte Jimmy. Er saß noch auf dem Fahrersitz und duckte sich, um mich durch Haylies Fenster hindurch anschauen zu können. Haylie und ich sahen uns an und schüttelten in stillschweigender Übereinkunft den Kopf. Sie öffnete die Tür und beugte sich vor, damit ich auf den Rücksitz klettern konnte. Jimmy machte uns miteinander bekannt.
    »Valerie, Simone. Simone, Valerie.«
    »Ich heiße Veronica«, protestierte ich.
    Er starrte mich im Rückspiegel an. »Stimmt«, sagte er, als ob ich eine Bestätigung gebraucht hätte. »Ich weiß. Entschuldige. Ist es okay, wenn ich mein Fenster offen lasse? Sag Bescheid, wenn es hinten zu sehr zieht.«
    Kaum dass wir losgefahren waren, legte er seine Hand auf Haylies Oberschenkel. Sie trug eine gerippte Strumpfhose - nicht schwarz, sondern grau -, und er bewegte beim Fahren seine Finger die Streifen hinauf und hinunter. Für den Fall, dass er in den Rückspiegel sah, bemühte ich mich, mir nichts anmerken zu lassen. Aber offensichtlich versuchte Haylie nicht nur, anders auszusehen und einen anderen Namen zu tragen, sondern sie hatte sich tatsächlich verändert. Auf der Highschool war sie ausschließlich mit gepflegten und unverkennbar erfolgsorientierten Jungs ausgegangen - darunter ein Quarterback, ein Schulsprecher und bekannterweise

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