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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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über dem Bild einer Kuh, die nicht nur lächelte, sondern auch noch Lippenstift trug. Wir bestellten beide Steaks. Ich dachte, ein paar Proteine würden mir guttun. Mein Kopf tat nicht mehr weh, aber mir war immer noch flau im Magen, und meine Glieder fühlten sich müde und schwerfällig an. Zwischen zwei Schlucken Sodawasser presste ich die Lippen zusammen und schob zerstoßenes Eis von einer Wange in die andere. Clyde-vom-dritten-Stock konnte sehr gut küssen, das musste ich zugeben.
    »Was machst du denn mit deinem Mund?« Mein Vater starrte mich mit zusammengekniffenen Augen von seiner Tischseite aus an. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du bist heute Morgen so still, sogar für deine Verhältnisse.« Er wirkte eher belustigt als besorgt. Er schaute mich an, wie er mich oft ansah - ein bisschen nachsichtig, die Lippen zu einem halben Lächeln verzogen. Sein langärmeliges Hemd sah steif aus, fast wie gestärkt, und es war zu weit zugeknöpft. Wenn er zur Arbeit ging, sah er immer gut aus, aber am Wochenende, wenn er sich salopper kleiden konnte, hatte er meistens Probleme damit, sich richtig anzuziehen.
    »Bist du sicher, dass du dir nicht die Birne am Lenkrad angeschlagen hast?« Er streckte eine Hand aus und fuhr mir leicht durchs Haar. »Vielleicht sollten wir dich lieber untersuchen lassen. Wir können zu einer dieser Ambulanzen fahren und dich dort anschauen lassen. Man kann eine Gehirnerschütterung haben, ohne es zu merken.«
    »Ich bin bloß müde.« Ich warf einen Blick über meine Schulter und hielt nach der Kellnerin Ausschau. Ich hatte Hunger. Ich musste unbedingt etwas essen.
    »Es sieht so aus, als hättest du am Kinn eine Art Ausschlag. Was ist das? Und deine Lippe ist verletzt.«
    Ich fühlte mit einem Finger über den Schnitt in meiner Lippe. »Das war später«, erklärte ich. »Nicht bei dem Unfall. Das ist passiert, als ich hingefallen bin. Aufs Eis.«
    Seine Nasenflügel bebten. Er stellte sein Wasserglas ab. »Richtig. Als du aus dem Lastwagen gestiegen bist. Dem Lastwagen, der von diesem verdorbenen ...«, er hielt inne und zeigte auf mich, »... der, so wahr mir Gott helfe, wenn ich ihn jemals finde ...« Mit seiner anderen Hand zerquetschte er seine Serviette, die - weil sie aus Papier war - nicht einmal ansatzweise den Widerstand leistete, den der Lastwagenfahrer möglicherweise leisten würde. Trotzdem war ich gerührt, wie aufgewühlt mein Vater war. Er wirkte nervös. Seine Augen wanderten ständig im Kreis herum - zur Salatbar, über mein Gesicht, dann nach links zu den Neonbuchstaben im Fenster und dann nach oben Richtung Himmel. Es war ein schöner, sonniger Morgen, völlig wolkenlos, aber die Äste der Bäume draußen waren kahl. Ein kalter und stürmischer Wind wehte.
    »Also ... erzähl es mir noch einmal.« Er legte sich die Serviette auf den Schoß und fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Erzähl mir noch einmal, was passiert ist, nachdem du aus dem LKW gestiegen bist.«
    Ich senkte den Kopf. Mir war unklar, warum er das schon wieder hören wollte. Ich begriff nicht, warum es von Bedeutung sein sollte, was es mit der Identität des Fahrers zu tun hatte - oder mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Versicherung meines Vaters die Reparaturkosten für Jimmys Wagen übernehmen würde. Aber ich wusste aus langjähriger Erfahrung, dass mein Vater es nicht schätzte, wenn man einer bestimmten Art der Befragung auswich. »Ich ...« Ich schüttelte dumpf den Kopf. »Ich bin aufs Eis gefallen. Als ich aufgestanden bin, fuhr er schon weiter.«
    Er machte eine ungeduldige Handbewegung, als würde ich den wichtigen Punkt absichtlich hinauszögern. Gerade wollte er etwas sagen, als die Kellnerin kam und einen Teller auf seinen Platz stellte.
    »Das Maverick für Sie? Gut durch?«
    Als er den Mund öffnete, um zu antworten, wandte sie sich bereits mir zu. »Das Zweihundert-Gramm-Steak?«
    Ich nickte schnell, in der Hoffnung, ihr Zeit zur Flucht zu verschaffen.
    »Erin, ich glaube, wir haben hier kaum noch Steaksauce.« Mein Vater zog die halb leere Flasche aus dem kleinen Gestell in der Mitte des Tisches. »Ansonsten passt alles, Erin. Sieht alles sehr gut aus.«
    Ich senkte den Kopf, damit er nicht sah, wie ich mich innerlich wand. Es hatte keinen Sinn, meinen Vater zu bitten, damit aufzuhören. Als ich siebzehn war, hatte meine Mutter versucht, ihn davon zu überzeugen, dass Leute, die in Restaurants arbeiteten, es nicht zwangsläufig gernhatten, wenn er ihre Namensschilder las und sie

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