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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sich zurückzog und seine Speisekarte wie einen Schutzschild vor sich hielt. »Fein«, sagte er ruhig. »Vielleicht solltest du einmal in Betracht ziehen, dass nicht jeder so denkt wie du.«
    Elise machte eine Faust. »Der König des letzten Wortes hat gesprochen!«
    Mein Vater legte seine Speisekarte hin. »Ich finde einfach nicht, dass er peinlich berührt aussah!« Er sah zuerst Elise, dann mich an. »Na, ihr zwei? Findet ihr, dass der Kellner peinlich berührt ausgesehen hat?«
    »Ich weiß nur, dass ich peinlich berührt bin.« Elise lächelte in ihre Speisekarte und schaute dann mich an. »Veronica sieht auch echt peinlich berührt aus. Vielleicht brauchen wir beide einen anderen Tisch.«
    Mein Vater warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Vielleicht wollt ihr eure Rechnung selbst bezahlen.«
    »Vielleicht solltest du weiterträumen.«
    Meine Mutter und ich seufzten beide, genau auf die gleiche Weise, genau im selben Moment. Wir schauten uns an und lächelten. Diese Art von Schlagabtausch zwischen meinem Vater und Elise war normal, ein spielerisches Geplänkel, kein Grund zur Beunruhigung. Im Gegenteil, nach dem wesentlich ungewöhnlicheren Wortwechsel zwischen meinen Eltern empfand zumindest ich ihn als beruhigend. Ich war es gewohnt, dass Elise ihm in nichts nachstand und ihm schwer zusetzte. Aber wenn meine Mutter ihm widersprach, geschah das normalerweise leise und mit einem Lächeln.
    »Vielen Dank.« Mein Vater nahm die neue Flasche Steaksauce und warf mir einen Blick zu, als die Kellnerin wieder gegangen war. »Immer mit der Ruhe. Niemand will es dir wegnehmen.«
    Ich hielt meine Serviette an den Mund. »Ich habe Hunger.«
    »Okay. Na gut.« Er machte wieder diese ungeduldige Handbewegung. »Tu wenigstens was für deine Mahlzeit. Du wolltest gerade erzählen, was passiert ist. Nach der Geschichte mit dem Lastwagen.«
    »Ich bin in das Hardee's gegangen.«
    »Richtig.« Er schnitt in sein Steak. »Und dann?«
    »Bin ich in den Waschraum gegangen.«
    »Und was war dann?« Seine Augen sahen liebevoll aus, mitfühlend. Ringsum schien es plötzlich ganz still im Restaurant zu werden, obwohl ich immer noch die Musik hören konnte, den leisen, eindringlichen Klang einer Steel Guitar.
    Ich nahm noch einen Bissen. Ich kaute, schluckte. Er wartete.
    »Und dann ... habe ich dich angerufen.«
    Er nickte. »Moment, mir ist ein bisschen kalt.« Er zog seine braune Sportjacke an. Er hatte einen Stift in der Tasche und vergewisserte sich, dass er feststeckte. »Okay. Du bist aus dem Laster gestiegen. Du bist hingefallen. Du hast geblutet. Du bist in das Lokal gegangen, um zu telefonieren. Wen hast du zuerst angerufen?«
    Einen Moment lang glaubte ich, es ginge ihm tatsächlich darum. Tatsächlich dachte ich, er wäre gekränkt, weil ich zuerst versucht hatte, meine Mutter anzurufen. Und ich war erleichtert, sogar gerührt. Es war einfach die alte Geschichte bei Scheidungen - jeder Elternteil will der auserwählte sein. Ich spielte mit dem Gedanken, zu lügen, aber ich hatte zu viel Angst.
    »Dad. Ich wusste, dass du bei Gericht oder zumindest bei der Arbeit sein würdest. Und Mom war näher.«
    Er nickte. »Und was hat sie zu dir gesagt?«
    Ich schluckte. Es war eine Fangfrage. Das wussten wir beide.
    »Elise hat es dir erzählt.«
    Ein paar Sekunden lang saßen wir da, ohne zu reden. Die Leute am Tisch hinter uns lachten über irgendetwas. Eine schrille Kinderstimme ertönte.
    »Entschuldige, Liebes. Ich kann einfach nicht fassen, dass sie dich so im Stich gelassen hat. Es tut mir schrecklich leid. Ich kann es mir nicht erklären. Ich kann nicht verstehen, wie sich ein Mensch so sehr verändern kann.«
    Ich schaute weg und dachte über die Situation nach und darüber, dass das, was er sagte, darauf hinwies, dass es zwischen den beiden doch nicht so schlimm stand, wie ich geglaubt hatte. Vielleicht hatten sie sich doch noch nicht so richtig voneinander abgenabelt. Immerhin war er noch imstande, sich ihretwegen zu entschuldigen. Ich schaffte es, zu lächeln. Ich freute mich über sein Verständnis, seine offenkundige Sorge um uns beide.
    Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Weißt du noch genau, was sie zu dir gesagt hat? Bevor sie aufgelegt hat.«
    »Sie ... sie klang einfach ein bisschen daneben.« Ich zuckte die Achseln und griff wieder nach meinem Besteck. Das Steak schmeckte fantastisch, salzig und fest. »Mittlerweile tut es ihr furchtbar leid. Sie hat auf meinem Handy Nachrichten hinterlassen und sich

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