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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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über Röcken oder Kleidern und mit Stiefeln. Aber heute hatte sie darunter ihr Flanellnachthemd an, das sie in ihre Khakihose gestopft hatte - ohne Gürtel, dafür mit einer grauen Strickjacke, die offen stand. Ich dachte mir nicht allzu viel dabei. Sie war gekommen, um an ihrem freien Tag - und dazu an einem Sonntagmorgen - beim Saubermachen zu helfen. Deshalb war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich keine besondere Mühe mit ihrer Kleidung gegeben hatte. Aber dann kam sie zu mir, um mich in die Arme zu nehmen, und plötzlich, ohne jede Vorwarnung, nahm ich den scharfen, fast salzigen Geruch wahr, der von ihr ausging. Ihr Haar war ungewaschen, glänzte am Ansatz und war zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengebunden. Als sie merkte, dass ich sie anschaute, schien es ihr peinlich zu sein.
    »Macht nichts«, sagte sie schnell. »Ich habe meinen Staubsauger im Wagen.« Dann zog sie ihren Mantel wieder an. Beim Hinausgehen warf sie mir über die Schulter einen Blick zu und lächelte. »Steh nicht einfach so herum, Liebes. Ich helfe dir. Aber ich habe nicht vor, alles allein zu machen.«
    Um drei hingen Haylies sämtliche Kleidungsstücke ordentlich in ihrem Schrank. Die Bettwäsche war gewaschen und getrocknet, das Bett frisch bezogen. Jede leere Bierdose, jeder Plastikbecher war aufgestöbert und in die Plastikmülltüte an der Tür befördert worden. Die Böden waren gesaugt und gewischt worden. Ich hatte das unversehrte Weinregal wieder in die Küche geschoben, wo die Arbeitsflächen streifenfrei blinkten. Es gab keinerlei Hinweise mehr auf eine Party, und in der Luft hing nicht einmal ein Hauch von Zigarettenrauch. Im ganzen Haus duftete es nach den Zitronen, die meine Mutter aufgeschnitten und in die Mikrowelle gelegt hatte. Und sie hatte recht gehabt mit dem Mürbesalz - der Blutfleck war fast vollständig verschwunden.
    Sie rollte gerade ihren Staubsauger zur Tür, als sie plötzlich stehen blieb und sich räusperte.
    »Sag mal, ist es okay, wenn ich dusche? Meine Sachen sind draußen im Wagen.«
    Ich starrte sie an. Ich dachte, sie mache Witze. Sie hielt meinem Blick unbeeindruckt stand, den Daumen der einen Hand nach oben gestreckt, wie wenn man per Anhalter fährt.
    »Du willst hier duschen?«
    Sie lehnte sich an den Staubsauger, doch er rollte unter ihr weg. Beinahe hätte sie das Gleichgewicht verloren. Sie fing sich wieder, ohne zu lächeln. »Also, ich habe jetzt ein paar Stunden lang das Haus geputzt und dir beim Saubermachen geholfen. Ich fühle mich verschwitzt und schmutzig und würde gern duschen, bevor ich zurückfahre.« Sie brach ab und verzog missbilligend den Mund. »Falls es nicht zu viele Umstände macht.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war eine seltsame Bitte und unter diesen Umständen sogar ein bisschen unvernünftig. »Mom. In weniger als einer Stunde sind sie da.«
    Sie sagte nichts und richtete den Blick auf Bowzer, der in einer Ecke des Vorzimmers lag und schlief. Meine Mutter hatte ein kleines Bett für ihn gemacht, bestehend aus Elises alter, weißer Tagesdecke mit Lochstickerei, die sie aus dem Wagen geholt und quadratisch zusammengelegt hatte, und einem leeren Plastikmüllbeutel darunter.
    »Wenn sie kommen, wäre ich wirklich lieber nicht hier.« Ich schaute auf meine Uhr, dann wieder zu ihr. »Kannst du nicht einfach warten, bis du zu Hause bist?«
    »Nein.« Ihre Stimme, ihr Gesichtsausdruck, alles an ihr zeigte deutlich, dass es eigentlich keine Bitte war. Sie schob den Staubsauger wieder in Richtung Haustür. »Ich hole meine Sachen. Ich brauche nur eine Viertelstunde. Mach dir keine Sorgen, du hast genug Zeit.«
***
    Sie ging nicht unter die Dusche; sie nahm ein Bad! Und sie brauchte eine halbe, nicht eine Viertelstunde. Als sie endlich wieder nach unten kam, kauerte ich im Mantel, Tasche und Rucksack unter den Knien, an der Tür und las. Bowzer, der meine Nähe spürte, hatte sich neben mir auf den Rücken gerollt. Ich kraulte seine Brust und kratzte ihn mit den Fingernägeln. Er schien es sehr zu genießen. Sein Fell fühlte sich alt und verfilzt an.
    »Oh.« Meine Mutter schaute auf mich hinunter und lächelte. »Jane Eyre. Eines meiner Lieblingsbücher. Eine richtige Liebesgeschichte.«
    Sie sah wie ein ganz anderer Mensch aus. Sie sah sauber aus und trug hübsche Sachen, einen cremefarbenen Pulli mit einer braunen Kordhose. Es war die Art von Kleidung, die sie anzog, wenn sie ehrenamtlich im Obdachlosenasyl arbeitete - schick, aber nicht

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