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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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einmal war ich gestrandet.
    Ich versuchte, Gretchen anzurufen. Sie hob nicht ab. Meine Mutter hatte wieder angerufen und eine Nachricht hinterlassen. Ich hörte sie ab, während ich Zigarettenstummel aus einer Aloe vera beim Spülbecken klaubte.
    »Falls das die einzige Möglichkeit ist, mit dir zu kommunizieren, möchte ich wenigstens, dass du zwei Dinge weißt. Erstens, du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der Probleme hat. Als deine Mutter halte ich es für meine Pflicht, dir das mitzuteilen. Zweitens, es tut mir sehr, sehr leid, dass ich dich gestern im Stich gelassen habe. Aber ich garantiere dir, Veronica, dass ich in Zukunft für dich da sein werde, wenn du ein Problem hast und mich brauchst. Ruf mich einfach an, und ich werde kommen. Das gestern Morgen war eine Ausnahme. Ich denke, wenn du meinen Job als Mutter insgesamt betrachtest, wirst du mir da recht geben.«
    Ich warf die Zigarettenstummel in den Mülleimer und haderte nur einen Moment lang mit mir. Sie hob beim ersten Klingeln ab.
    »Ich bin's«, sagte ich. »Veronica.«
    »Ich weiß.« Sie sprach atemlos, zerstreut. Im Hintergrund hörte ich Bowzers heiseres Bellen. Ich wartete, doch sie sagte auch nichts und wartete darauf, dass ich anfing.
    Ich starrte die Pflanze an. »Du weißt noch, dass du gemeint hast, ich könnte dich das nächste Mal, wenn ich ein Problem habe, anrufen?«
    »Ja?«
    »Also, heute habe ich eins.«
    »Was?« Sie brach ab, um Bowzer zu sagen, er solle still sein. Dabei war sie sehr höflich. Sie sagte »bitte«. Zu Bowzer. Dann war sie wieder am Telefon. »Was? Wo bist du? Was ist passiert?«
    »Nichts«, beschwichtigte ich sie. »Es ist keine Krise wie ...« Ich beschloss, nicht näher auf den Vorfall von vorgestern einzugehen. »Zumindest handelt es sich nicht wirklich um einen Notfall. Eher um ein kleines Problem. Aber ich könnte deine Hilfe brauchen.« Ich machte eine Pause, weil ich mich auf einmal befangen fühlte, zerknirscht. Du bist nicht der einzige Mensch auf der Welt, der Probleme hat. »Falls du nicht zur Arbeit musst, meine ich. Ich weiß nicht, ob du heute arbeiten gehst.«
    Zu meiner Überraschung lachte sie. Es war nicht ihr normales Lachen. Es war tiefer und ein bisschen rau, wie Bowzers Bellen. »Ich arbeite nicht«, sagte sie schließlich. Ihr Lachen endete mit einem müden Seufzer. »Ich stehe zur Verfügung. Was ist los, Liebes? Sag mir, was du brauchst.«
    Sie beäugte den Blutfleck aus verschiedenen Blickwinkeln, hob den Vorhang hoch und hielt ihn ins Licht. Wenn sie kein Make-up trug, sah sie ein bisschen wie ein Kaninchen aus, weil ihre Wimpern sehr fein und kaum zu sehen waren. »Weißt du, was helfen könnte?«, fragte sie. »Mürbesalz. Schau mal nach, ob es hier so etwas gibt.«
    »Mürbesalz?« Ich kniete auf allen vieren auf dem Boden und klaubte winzige Glassplitter aus dem Teppich. Meine Mutter hatte sie gleich beim Hereinkommen im Sonnenlicht glitzern sehen und mir ihre weichen, engen Lederhandschuhe gegeben, damit ich mir beim Einsammeln nicht in die Finger schnitt.
    »Es ist das Beste, um Blutflecken herauszukriegen. Erinnerst du dich noch an die Zeit, als Elise ständig Nasenbluten bekam? Nein, du warst noch zu klein.« Sie drehte sich um und nieste in ihren Ärmel. »Arme Elise. Sie saß einfach da - beim Abendbrot, im Schulbus oder auf der hellen Couch anderer Leute -, und plötzlich schoss all das Blut aus dieser kleinen Nase. Der Arzt sagte, es würde vorbeigehen und wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen, aber versuch mal, das einer Sechsjährigen klarzumachen. Sie geriet in Panik und fasste mit den Händen an ihre Nase, und dann war das Blut einfach überall.« Sie hielt ihren Finger hoch und nieste noch einmal.
    »Gesundheit«, sagte ich.
    Meine Mutter schaute mich an. Es schien sie zu ärgern, dass ich einfach herumstand. »Mürbesalz.« Sie schnippte mit den Fingern. »Die Küche. Geh nachschauen! Ich dachte, wir hätten es eilig.«
    Jimmy und Haylie hatten kein Mürbesalz.
    »Ich geh welches holen.« Sie bewegte sich schon in Richtung Haustür. Dabei hatte sie noch nicht einmal ihren Mantel ausgezogen. »Gibt es irgendwo hier in der Nähe ein Lebensmittelgeschäft?« Sie stand in der offenen Tür. Eine Hand lag auf der Klinke, in der anderen klimperten ihre Autoschlüssel. »Ich will ein paar Mikrofasertücher für die Küche besorgen.« Sie schüttelte den Kopf, und in ihrer Stimme schwang leise Missbilligung mit. »Das Einzige, was man bei Edelstahl verwenden darf.

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