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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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hatte meine Mutter - beziehungsweise mich - aufgefordert, ihn und Simone beim Gemeinschaftszentrum abzuholen, wo sie bereits ungeduldig warteten, aber wenigstens trocken bleiben würden. Ich sollte anrufen, wenn wir ganz, ganz dicht beim Eingang waren. Er hatte nicht gesagt, ob ich seine Nummer oder die meiner Mutter wählen sollte. Wahrscheinlich hatte er beide Handys dabei.
    »Du hast es wohl liegen gelassen, als du mir beim Saubermachen geholfen hast«, vermutete ich und wischte das beschlagene Seitenfenster ab. Sie fuhr langsam und vorsichtig, weil der Straßenbelag rutschig war. Ehrlich gesagt wäre mir jede Geschwindigkeit zu schnell gewesen. Am liebsten hätte ich angehalten oder - besser noch - umgedreht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass uns etwas Erfreuliches erwarten würde, und ich glaubte nicht, dass meine Mutter die Situation komplett erfasste - vor allem nicht, dass sie Jimmy Liff richtig einschätzte. Ich wusste, dass ich dankbar sein sollte, weil sie mir helfen wollte. Aber ich kam nicht umhin, zu denken, dass von meinen beiden Elternteilen mein Vater eine wesentlich größere Hilfe im Umgang mit jemandem wie Jimmy gewesen wäre. Meine Mutter meinte es gut, aber sie war lediglich eine ältere, erschöpfte und momentan obdachlose Version meiner selbst.
    »Und er gibt es nicht zurück?« Ihre Stimme war ruhig, die Stimme einer Erwachsenen, die aus einem verstörten Kind Fakten herausholen will. Er wollte dein rosa Pony kaputtmachen? Bist du sicher, dass es Absicht war? Hast du es selbst gesehen? Sie trug immer noch die Zöpfe, deren Enden unter ihrer Mütze hervorlugten; ihr Schal war immer noch mit Ketchup bekleckert.
    »Er behauptet die ganze Zeit, dass er nicht weiß, wo es ist. Mom, er ist stinksauer - wegen des Autos, wegen der Party ... Ich weiß nicht, ob du ihm einfach sagen kannst, dass er dir dein Handy zurückgeben soll. Ehrlich gesagt, ich denke nicht, dass er es dir gibt. Nicht bevor sein Auto repariert ist.«
    Sie schaute zuerst mich an und dann wieder auf die Straße. »Warum hast du mir nichts davon erzählt? Warum hast du mir nicht erzählt, was los ist?«
    Wir fuhren an aufgespannten Regenschirmen vorbei, an Leuten, die sich Jacken und Zeitungen über die Köpfe hielten. Ich wartete, sagte aber nichts: Ich wollte sie nicht verletzen.
    Sie schaute wieder zu mir.
    »Es sah so aus, als ob du selbst genug Sorgen hättest«, rechtfertigte ich mich. »Du weißt, was ich meine. Du musst mit deinen eigenen Problemen fertig werden.«
    Sie schwieg. Ein Windstoß ließ den Regen von der Seite kommen. Ein Plastikmülleimer kippte vom Randstein und rollte auf die Fahrbahn. Meine Mutter riss das Lenkrad scharf nach links und wieder zurück. Bowzer schnaufte und legte sich auf ihren anderen Arm.
    »Ich weiß«, gab sie zu. »Aber ich möchte dir trotzdem helfen.«
    Hinter dem Hügel konnte ich das Dach des Gemeinschaftszentrums sehen. Angst legte sich bleischwer auf meine Brust. »Ich weiß nicht, ob du das kannst, Mom. Er ist ziemlich Furcht einflößend.«
    Sie verdrehte die Augen. »Er ist ein Collegestudent, der neben einem Golfplatz wohnt.«
    »Er handelt mit Drogen.«
    Sie schaute zu mir. »Woher weißt du das?«
    »Ich weiß es nicht. Es sind Gerüchte.«
    Sie trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad und warf wieder einen Blick in meine Richtung.
    Ich hielt mir mit beiden Händen die Augen zu. »NEIN! ICH NEHME KEINE DROGEN!«
    »Nicht so laut, bitte.« Sie warf mir einen kurzen, missbilligenden Blick zu. »Fein. Na gut, denn das würde mir echt Angst machen.« Sie zuckte die Achseln. »Dieser Typ nicht.« Halblaut fügte sie hinzu: »Jetzt nicht mehr.«
    Tatsächlich sah sie kein bisschen ängstlich aus. Bowzer auf dem Schoß konzentrierte sie sich auf das Fahren, darauf, uns die regennasse Steigung hinaufzubringen, ohne mit den Wagen vor oder hinter uns zusammenzustoßen. Es war falsch von ihr, keine Angst zu haben, dachte ich. Ich hatte Angst vor ihm, und es schien mir unwahrscheinlich zu sein, dass ich mich aus reiner Einbildung und Nervosität fürchtete und das ganze Drama nur in meiner Fantasie existierte.
    Sie schaute mich an. »Was? Ist er bewaffnet oder so?«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Okay. Das ist gut. Wird er mich verprügeln?«
    In ihrer Stimme schwang ein Lachen mit, unbeschwert und spöttisch.
    »Mom, lach nicht! Du kapierst das nicht.«
    »Ein Schnappmesser?« Sie riss die Augen auf, und Bowzer leckte ihr Kinn ab. »Ein Nunchaku? Nein, warte: ein selbst gemachtes

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