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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mein Blick in den Spiegel bestätigte mir, daß ich der Beatmode entsprechend schick aussah.
    Viele Mädchen behielten ihre Kleider an, vor allem diejenigen, die vorn einen großen Ausschnitt hatten. Das gefiel besonders den Jungs.
    Nach dem Abendbrot spielte eine Musikband aus der Kaserne Adlershof. Sie gab sich große Mühe und spielte moderne Schlager, aber es traute sich keiner zu tanzen. Wenn wir uns mal am Wochenende den Plattenspieler ausliehen, tanzten wir in unserem Gruppenraum nur mit einer Freundin.
    Hier forderten uns die Jungs unter den Augen unserer Lehrer und Erzieher zum Tanz auf. Nach einigem Zieren der Mädchen drehten sich schüchtern die ersten Paare auf der Tanzfläche. Ich schaute zu den Erziehern; sie beschäftigten sich schon mit der Auswertung der Pärchen. Mir ging die Überwachung durch die Erwachsenen auf die Nerven.
    Plötzlich stand ein Soldat von der Band vor mir und forderte mich auf. Alle Blicke gingen in meine Richtung, und ich spürte, wie ich feuerrot wurde. Die Hausleiterin nickte mir ermutigend zu. Um nicht länger im Mittelpunkt zu stehen, ging ich mit ihm zur Tanzfläche. Sein gutes Aussehen hinderte mich daran,
    ihn beim Tanzen anzusehen.
    »Wie alt bist du?« vernahm ich seine Stimme dicht an meinem Ohr.
    »Raten Sie!«
    Als er »siebzehn« sagte, bekam ich einen Schreck, Fast alle Mädchen freuten sich, wenn man sie älter schätzte, aber es konnte auch unangenehm sein. Wegen meiner Größe wurde ich seit meinem elften Lebensjahr für älter gehalten.
    Einmal wartete ich am Bahnhof Schöneweide auf meinen Bruder, da traten zwei Bullen an mich heran und wollten meinen Personalausweis sehen. Lang und breit erklärte ich ihnen, woher ich war und daß ich erst dreizehn Jahre alt sei. Sie glaubten mir nicht, und ich mußte ihnen aufs Revier folgen. Die Leute auf der Straße sahen uns hinterher, und ich schämte mich. Die Polizisten überprüften meine Angaben, dann durfte ich wieder gehen. Einige Kinder, die gesehen hatten, wie die mich mitnahmen, verbreiteten die wildesten Gerüchte über mich im Heim: Ich hätte bestimmt geklaut und ähnliches.
    Bevor der Soldat weitere Fragen stellen konnte, sagte ich zu ihm, ich sei erst vierzehn Jahre alt. Daraufhin holte er mich nicht mehr zum Tanzen.
    Am Abend lag ich noch lange wach im Bett und dachte über einen Jungen aus meiner Klasse nach. Den ganzen Abend hatte ich ihn beobachtet und mich in ihn verknallt.
Mein erster Kuß
    Carsten war der Traum aller Mädchen: Er war groß, hatte dunkle Haare, die er mit einer Tolle zur Ente gekämmt trug, blaue Augen, umrahmt von langen, schwarzen, gebogenen Mädchenwimpern, und leider Segelohren, die wir natürlich alle übersahen. Nachdem seine Mutter in den Westen geflüchtet war, lebte er bei seiner Oma. Mit fünfzehn Jahren kam er zu uns.
    Fast alle Mädchen verliebten sich in ihn, gaben es aber nicht zu. Wenn er mit einer beim Küssen gesehen wurde, ließen die restlichen kein gutes Haar mehr an ihr. Jede hoffte, selbst die nächste Glückliche zu sein. Bei dem Thema »Carsten« hielt ich mich zurück. Keine sollte merken, daß er mir auch gefiel. Leider beachtete er mich nie.
    So freute ich mich, wenn ich ihn in der Schule sah oder wenn wir vor der Haustür noch mit den Jungs herumblödelten und ich mich in seiner Nähe befand.
    Im Frühjahr setzten die Erzieher und Klassenlehrer bei der Heimleitung durch, daß wir gemeinsam mit den Jungs nach Priros fahren durften. Gleich am ersten Abend nach unserer Ankunft wollten wir eine Nachtwanderung machen. Die Erzieher hatten nichts dagegen. Aufgeregt zog ich mich warm an. Die Raucher steckten sich ihre Glimmstengel ein, und laut albernd ging's los in die stockdunkle Nacht. Das Ziel war der Frauensee, der irgendwo im Wald lag.
    Je tiefer wir in den Wald kamen, um so mehr fürchteten wir uns. Jeder knisternde Ast, das Rauschen der Blätter und die Rufe der Nachttiere versetzten uns in Angst, die wir mit lautem Lachen überspielten. Ein einziges Mal versteckte ich mich vor Übermut mit sechs weiteren Mädchen im Gehölz, und sofort verloren wir den Rest der Klasse. Von nun an war die Angst unser ständiger Begleiter. Wir wußten nicht, wo wir uns befanden, und liefen ziellos durch den Wald. Da stießen wir auf eine Sägemühle. Kurz zuvor hatte ich den Film »Werner Holt« gesehen. In einer Szene wurde ein Mann von den Nazis in einer Sägemühle zersägt. Mir wurde bei dem Gedanken daran unbehaglich, aber der feine Nieselregen begann sich nun in einen

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