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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mädchen gegenüber.
    Am nächsten Tag konnte ich an Carsten nicht vorbeigehen, ohne rot zu werden. Einmal schaute er aus dem Küchenfenster. Als er mich sah, rief er:
    »Bleib doch mal stehen!«
    Ich wagte mich keinen Schritt weiter. Er beugte sich aus dem Fenster und küßte mich. Aus Angst beobachtet zu werden, lief ich schnell fort. Weshalb er mich plötzlich so gut fand, wußte ich nicht. Wir sprachen nie darüber.
    An einem Abend spielte ich mit Carsten Versteck. Wir waren, trotz der Küsse, noch kindliche Jugendliche. Er mußte mich suchen; natürlich versteckte ich mich so, daß er mich leicht finden konnte. Nachdem ich eine Ewigkeit hinter der alten Pumpe gehockt und vergeblich auf ihn gewartet hatte, merkte ich instinktiv, daß er mich gar nicht suchte. Zornig verließ ich meinen Platz. Da hörte ich plötzlich seine Stimme und das laute Lachen zweier Mädchen. Die Dunkelheit der Nacht schützte mich davor, gesehen zu werden. Leise schlich ich mich durch das hohe Gras, ich sah Carsten mit Inge und Walli auf der Schaukel.
    Neugierig kletterte ich auf eine Kiefer und belauschte das Gespräch der drei. Carsten spielte Lehrer und versuchte, den Mädchen den Sternenhimmel zu erklären. Die Mädchen schauten dabei nicht zu den Sternen, sondern himmelten Carsten an. So ein Idiot, dachte ich, da hätte ich ja die ganze Nacht hinter der Pumpe hocken können.
    Das Harz klebte an meinen Händen und der Hose, die Kiefernnadeln piekten überall. Wütend auf mich und die drei versuchte ich, unbemerkt vom Baum zu steigen. Ein morscher Ast knackte unter meinen Füßen weg. Die Mädchen hörten das Geräusch, und Inge sagte:
    »Carsten, da ist einer.«
    Ich hörte seine Antwort.
    »Du spinnst ja, wer soll denn hier sein?«
    Aha, stellte ich fest, dieser Traum aller Mädchen ist eine feige Pfeife. Walli forderte Carsten auf, doch mal nachzusehen.
    »Geh doch selber«, meinte er und schaukelte weiter.
    Das hätte mir noch gefehlt, wenn die drei mich hier entdeckt hätten. Es blieb nur die Möglichkeit, statt Carsten den Baum zu umarmen und darauf zu warten, daß sie vom Schaukeln genug hatten.
    In diesem Augenblick mußte ich an einen Lehrer denken. Störte ein Schüler den Unterricht, rief er ihn zu sich und trat mit ihm ans Fenster. Er schaute auf den Schulhof, zeigte auf eine alte Eiche und fragte ihn:
    »Kennst du diesen Baum?«
    Antwortete der Schüler mit Nein, dann schickte ihn der Lehrer mit den Worten aus der Klasse:
    »Gut, dann geh runter, stell dich an den Baum, dann lernst du ihn kennen.«
    So wurde er von den Schülern aller Klassen gesehen, und sie wußten, daß er gegen die Disziplin der Schule verstoßen hatte. Oft stand er bis zum Unterrichtsschluß dort. Viele Schüler haben so die alte Eiche kennengelernt.
    Ich kannte jetzt die Kiefer und wollte endlich vom Baum. Aber die drei schaukelten und schaukelten. Mir taten vom Festhalten die Hände weh. Ich hielt es nicht mehr aus und sprang in die dunkle Nacht. Hinter mir hörte ich das Kreischen der Mädchen. Wütend auf sie und enttäuscht über Carsten, lief ich ins Haus. Das war es dann auch gewesen mit Carsten. Am nächsten Tag sah ich ihn mit Walli engumschlungen am Strand.
    Später lernte ich seinetwegen die Fußballregeln, wofür er mich vor Begeisterung küßte. Meine erste kleine Liebe überstand ich ohne Schaden, doch nur, weil ich mich nicht an Carsten klammerte und ihm meine Eifersucht nicht zeigte, wie es viele Mädchen taten. Wir blieben gute Freunde, und er ließ mich hin und wieder seine Mathe-Hausaufgaben abschreiben.
    Eines Nachmittags war ich mit Schularbeiten bei Carsten im Zimmer, da packte er mich und warf mich auf sein Bett. Ich lachte und wollte wieder hoch. Aber er hielt meine Arme fest und versuchte, mich zu küssen. Ich fand es zwar toll, wehrte mich aber trotzdem. Nun entstand eine halb ernste und halb spaßige Balgerei. Mitten in dem Kampf platzte ein Junge ins Zimmer herein und verkündete mir laut:
    »Du wirst im ganzen Haus gesucht, du sollst sofort ins Hausleiterbüro kommen!«
    Carsten ließ mich los. Hochrot, mit zerwühltem Haar, kam ich ins Büro. Dort stand, o Schreck, der fünfzehnjährige Westler aus Oberhof. Meine Erzieherin und die Hausleiterin schauten mich ernst an. In strengem Ton sagten sie:
    »Bitte!«
    Jetzt durfte ich den Westler begrüßen. Ich nickte nur mit dem Kopf.
    »Sieh mal« sagte er, »ich hab' dir was mitgebracht.«
    Dabei hielt er mir eine Postkarte hin, auf der die Beatles abgebildet waren. Die Arme

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