Weinen in der Dunkelheit
kenne ich auch.«
Ich erhob mich und verließ ihr Büro. Die Tür ließ ich laut ins Schloß fallen.
Ich hatte gewonnen, aber um welchen Preis? Ich gehörte nicht mehr zu den normalen Mädchen, die tanzen gingen oder rauchend in ihrer Ecke saßen und herumalberten. Ich war die Schwangere Nummer sieben. Zwar mußte ich noch keinen dicken Bauch unter häßlichen Kleidern verstecken, aber einige behandelten mich schon so. Wer noch nicht schwanger war, weiß nichts über den Zustand einer werdenden Mutter. Die meisten Mädchen verhielten sich uns gegenüber sehr zurückhaltend. Durch ihre Unsicherheit im Umgang mit Schwangeren drängten sie einen, ohne es zu ahnen, in eine Außenseiterrolle. Bewußt zog ich mich nicht zurück, sondern lebte genauso weiter wie bisher. Ich saß in ihrer Runde oder ging zum Tanzen mit und hörte mir ihre Probleme über das Heim, die Erzieher und Freunde an. Wo immer etwas los war, ich ging mit und war dabei.
In der Berufsschule mußte ich eine Sportbefreiung abgeben. Während des Deutschunterrichts beendete plötzlich die Lehrerin ihren Vortrag und sagte:
»Wir haben jetzt etwas Wichtiges zu besprechen. In unserer Klasse gibt es ein Mädchen, das ein Baby erwartet. Ich bitte euch, von heute an diesem Mädchen mit Respekt und Achtung zu begegnen, vor allem die Herren der Schöpfung sind damit gemeint. Keine blöden oder kindischen Bemerkungen darüber.«
Mir wurde siedendheiß, neugierig musterten uns die Jungs, welche es sein könnte. Neben mir saß Olaf, er fragte mich:
»Weißt du, wer es ist?«
»Ja«, sagte ich, »ich bin es.«
»Was?« Erstaunt blickte er mich an. »Man sieht ja noch gar nichts.«
»Ko mm t noch«, sagte ich und dachte: Hoffentlich nicht so schnell!
Wie ein Lauffeuer sprach es sich in der Klasse herum, und die Jungs wurden richtig lieb zu mir. Solange ich noch zur Schule ging, hörte ich nie eine einzige negative Bemerkung über mich. Meine Schularbeiten schrieb ich weiter von einem Jungen, dem Mathe-As unserer Klasse, ab. Sie hielten mir albernerweise alle die Klassentür auf, und in jeder Eisdiele organisierten sie für mich einen Stuhl. Rundum fühlte ich mich in meiner Klasse wohl und verdrängte den Gedanken, eines Tages die Schule verlassen zu müssen.
Mein Klassenlehrer sprach mich einmal in der Pause an und fragte, ob er mir nicht irgendwie helfen könnte. Ohne zu überlegen antwortete ich: »Mir ist nicht mehr zu helfen« und ließ ihn stehen. Vielleicht hätte er mir doch helfen können. In letzter Zeit kam mir oft der Gedanke, ob es eine Möglichkeit gäbe, das Kind wegzumachen. Gehört hatte ich schon viel davon, aber es sollte nicht ungefährlich sein, und mein Leben riskieren wollte ich nicht. Aber was konnte ich meinem Kind ohne Geld, Beruf und Wohnung bieten? Nichts! Erst viel später erfuhr ich, daß es eine Kommission für Schwangerschaftsabbruch gab. Aber darüber hat niemand mit mir gesprochen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich einen Abbruch gewollt hätte. Nun war es aber sowieso nicht mehr zu ändern und auch gut so, denn die Grübeleien, ob ja oder nein, hörten auf.
Während meine Gefühle sprunghaft wechselten -einmal war ich glücklich und dann wieder traurig und dem Heulen nahe -, veränderte sich meine Figur von Tag zu Tag. Am schlimmsten fand ich meine Brust, die an Umfang enorm zunahm und schmerzte. Am Bauch zeigten sich trotz Bürsten und Cremen kleine rote Streifen, die einfach nicht weggingen. Zum Glück hatte ich keine Morgenübelkeit, die laut Buch in den ersten Monaten auftreten kann.
Wenn ich mich im Spiegel betrachtete, fühlte ich mich jetzt schon unförmig dick und häßlich. Bald wußte ich gar nicht mehr, wie ich vorher ausgesehen hatte, dabei war ich erst Ende des dritten Monats.
Peter kündigte mir in einem Brief sein Kommen an. Die Woche bis zum Eintreffen seines Schiffes wollte nicht vergehen. Was würde er zu meiner Neuigkeit sagen? Ich hatte ihm von dem Kind nichts geschrieben. Ob er sich freuen würde?
Er holte mich mit einem riesigen Blumenstrauß ab und gratulierte mir nachträglich zum Geburtstag. Ich holte tief Luft und sagte:
»Ich hab' auch eine Überraschung für dich!« Neugierig fragte er:
»Was denn? Los, raus damit!«
Nun brachte ich es wieder nicht fertig, den Satz zu sagen: Ich kriege ein Kind, sondern platzte heraus:
»Du wirst Vater!«
Verdattert blieb er mitten auf der Straße stehen. »Sag das nochmal!«
Dabei blickte er mich zornig an. Seine Reaktion schüchterte mich ein, und
Weitere Kostenlose Bücher