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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Wahrscheinlich
schwitzt er jetzt Blut und hofft, er hat es sonstwo verloren, bloß nicht vor
meinen Füßen. Ich habe reingeschaut, um zu sehen, ob es seins war.« Charter
zuckte die Achseln und verschloß es wieder in der Schreibtisch-Schublade. »Es
war tatsächlich seins. Seine Handschrift. Nicht viel drin, bloß ein paar
Telefonnummern und Listen von Sachen, die zu erledigen waren. Davon hat er
schon immer Listen aufgestellt, schon als er klein war.«
    Etwas wie Bedauern huschte um den Mund von Kenneth
Charter. Jeder Sohn wird vermutlich geliebt, wenn er klein ist, bevor er sich
zu einer Enttäuschung entwickelt.
    »Die Nummer des Tankwagens hat mich fast umgeworfen«,
sagte er. »Mir war schlecht, sag’ ich Ihnen. Mein eigener Sohn! Die Polizei und
der Zoll jagen überall nach dem Gauner, der den Dieben die Tips gibt, und ich
habe ihn im Haus gehabt.«
    Er schüttelte angewidert den Kopf. »Daraufhin holte
ich mir Rat bei einem Unternehmen, dessen Schwierigkeiten einmal still und
leise bereinigt worden waren, und man verwies mich an Deglet und schließlich
hier an McGregor. Und das wär’s, Sportsfreund.«
    Kenneth Charters Sohn, dachte ich, war zehn Tage
nach dem Diebstahl des Scotch nach Australien geflogen, und eine Woche bevor
der Pferdetransporter in das Zelt raste. Wenn er wirklich in Australien war,
hatte er mit dem Verschwinden der flüssigen Vermögenswerte des Silver
Moondance nichts zu tun, und auch nicht mit der Ermordung von Zarac. Für
solche kargen Krümel konnte sein Vater dankbar sein »War es für Ihren Sohn
leicht festzustellen, wann der Tankwagen Whisky holen fährt?« fragte ich
zaghaft.
    »Damals im April, ja. Im Juni schon nicht mehr.
Vorigen Monat wäre es verdammt schwer gewesen. Aber was soll’s, ich wußte ja
nicht, daß ich mich im allerengsten Kreis schützen muß.«
    Kenneth Charter stand auf, bei seinem hohen Wuchs
ein scheinbar endloser Aufstieg. Er ergriff den Rahmen der Karte von den
Britischen Inseln, zog daran, und sie klappte vor der Wand auf wie eine Tür, so
daß eine zweite Tafel darunter erschien.
    Das enthüllte Schaubild war ein Terminkalender mit
einer langen Kolonne von Autonummern auf der linken Seite und Daten am oberen
Rand.
    »Tankwagen«, sagte Charter knapp und wies auf die
Autonummern. »Insgesamt vierunddreißig. Das da ist UNP 786 Y , der sechste von oben.«
    Alle Querspalten neben dieser Nummer waren durchgestrichen:
Wagen außer Betrieb. Bei vielen anderen steckten in einem Teil der Querspalten
Schildchen in verschiedenen Farben: blau, grün, rot, gelb, grau, violett,
orange, und jedes Schild war handbeschriftet.
    »Wir benutzen diese Schilder, um Zeit zu sparen«,
sagte Charter. »Violett beispielsweise heißt immer Salzsäure. Wir sehen auf
einen Blick, welcher Tankwagen sie fährt. Auf dem Schild steht dann, von wo
nach wo. Grau ist Gin, gelb ist Whisky. Rot ist Wein. Blau ist Schwefelsäure.
Grün ist jeweils ein Desinfektionsmittel. Und so weiter. Meine Sekretärin, der
ich unbedingt vertraue, sie ist seit zwanzig Jahren bei mir, schreibt die
Schilder und besorgt die Karte. Wir als Firma teilen den Fahrern erst mit,
wohin sie müssen oder was sie transportieren, wenn es losgeht. Oft tauschen wir
in letzter Minute die Fahrer aus. Einige Ladungen könnten nämlich gefährlich
sein, wenn sie in die falschen Hände geraten. Wir haben die unbedingte
Vorschrift, daß alle Türen der Tankwagen abgeschlossen sein müssen, wenn die
Fahrer auch nur einen Fuß vor die Kabine setzen, und bei allen drei gestohlenen
Frachten schwören die Fahrer, daß sie das auch getan haben und nichts Verdächtiges
bemerken konnten, als sie wiederkamen. Wir passen auf, und bis zu diesem Jahr
haben wir Glück gehabt.« Seine Stimme war plötzlich voll von unterdrücktem
Zorn. »Erst mein Sohn … mein eigener Sohn … konnte unser System
überlisten.«
    »Er hatte wahrscheinlich Zutritt hier«, sagte ich.
    »Oft kam er nicht. Ich erklärte ihm, wenn er nicht
in der Firma arbeiten wolle, solle er sich fernhalten. Er muß sich heimlich
hier hereingeschlichen haben, aber ich weiß nicht, wann. Von der Tafel wußte er
natürlich. Aber nach den ersten beiden Diebstählen habe ich die Whiskyschilder
nicht mehr ausfüllen lassen, für den Fall, daß die undichte Stelle in unserer
Firma war. Gelbe Schilder, sehen Sie? Alle leer. Wenn er also das gelbe Schild
für diesen Tankzug für den Mittwoch sah, konnte er daraus nicht entnehmen, wo
aufgeladen werden würde. Grau für Gin am

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