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Weinprobe

Weinprobe

Titel: Weinprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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eigenen.«
    »Teenager-Rebellion, die einen Schritt zu weit gegangen ist.«
    »Richtig«, sagte Gerard. »Hinterhältiger kleiner
Sauzahn. Aber da haben Sie’s – uns bringt er Geld ein. Das Leben ist voll solcher
Ironie.«
    Ich sagte mit einem Lächeln in der Stimme: »Möchten
Sie noch ein Beispiel? Wir suchen jetzt mit Genehmigung der Polizei nach diesem
Scotch.«
    Ich erzählte ihm von meinem Nachmittagsausflug mit
Ridger und brachte ihn wegen Mrs. Alexis zum Lachen.
    »Bei Mrs. Alexis war ich mir nicht sicher«,
sagte ich. »Sie hatte all diese Weine auf ihrer Karte. Sie sagt, sie hat sie
alle verkauft. Sie macht die ganze Zeit ein so wissendes Gesicht, daß sich
nicht sagen läßt, ob sie irgend etwas Bestimmtes weiß. Vielleicht gehe ich noch
mal hin.«
    »Wie sich’s anhört, ist sie der reinste Drachen.«
    »Sehr gute Einschätzung«, sagte ich. »Sie mag
Männer, die sich von Kronleuchtern schwingen.«
    »Was Sie aber nicht tun. Dafür sind Sie nicht der
Typ.«
    »Nein … ich dürfte außer Gefahr sein.«
    Er lachte. »Wie sieht Ihr Arm aus? Ich muß morgen
wieder hin.«
    »Nicht schlecht. Ihnen alles Gute.«
     
    Ridger kam am Montag pünktlich
wieder, und wir brachen auf, um ein Territorium in und um Hanley-on-Thames zu
bereisen, eine verschlafene Kleinstadt, die nur durch die jährliche
Ruderregatta im Juli zu teuerungsträchtigem Leben erwacht. Jetzt, Ende Oktober,
bei naßkaltem Wetter, war sie ruhig. Enten schwammen still auf dem grauen Fluß,
und Einkaufsbummler duckten sich unter Schirmen. Ridger und ich wischten uns
immer wieder Regentropfen ab, während wir eine Bar nach der anderen besuchten,
und nach einiger Zeit konnte ich die Bell’s nicht mehr zählen.
    Alle Bell’s waren echt. Nicht ein Stilbruch
darunter.
    Einer der Barmixer gab uns zuwenig Geld raus, eine
Handvoll Münzen, die er hinknallte, während er den Tresen mit Wasser
abspritzte, damit ich sie ohne nachzuzählen aufraffen würde, aber Ridger
meinte, das verdiene noch keine Notiz auf dem Klemmbrett. Er zeigte jedoch
seinen Dienstausweis und ermahnte den Barmann, der finster dreinsah. Als
Höhepunkt des Morgens gab es wenig her, aber man konnte nicht jeden Tag eine
Mrs. Alexis erwarten.
    Manche von den Pubs hatten zwei Tresen. Eines hatte
drei. Mein Freund John bestand darauf, über jede Flasche Bell’s in
Sichtweite Gewißheit zu erlangen.
     
    Übervoll von Tomatensaft brachte er mich um halb
drei zu meinem Laden zurück, und ich setzte mich mit schwerem Schädel in mein
Büro und bedauerte das ganze Unternehmen. Ich kam einfach nicht drumherum,
dachte ich, irgend etwas mitzunehmen, in das ich hineinspucken konnte, selbst
wenn das Gespucke den Barmann beunruhigen und die anderen Gäste abstoßen würde.
Es war kein Spaß, jeden Mittag halb besoffen zu sein.
    Mrs. Palissey fuhr mit Brian und einer großen
Ladung Lieferware weg, und zwischen jedem vereinzelten Nachmittagskunden setzte
ich mich hin und fühlte mich bettreif. Als die Türklingel mich zum fünften Mal
aufschreckte, ging ich gähnend in den Laden.
    »So begrüßt man aber kein Geschenk des Himmels«, versetzte
meine Kundin.
    Mrs. Alexis stand da, überlebensgroß, und ließ
den nassen Nachmittag in ihrer persönlichen Sonne erstrahlen. Ich schloß
bedächtig den Mund, verzog ihn zu einem Lächeln und sagte: »Bei der nächsten
Gelegenheit wollte ich noch mal zu Ihnen kommen.«
    »Bei der allernächsten?« sagte sie mit ungebremstem Spott.
    »Hier also haust unser kleiner Weinhändler.« Sie
schaute sich gutgelaunt um, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß ihr
»kleiner Weinhändler« über einsachtzig groß war und ihr zumindest auf gleicher
Höhe in die Augen blicken konnte. Für sie, vermutete ich, waren alle Männer
klein.
    »Ich kam zufällig vorbei«, sagte sie.
    Ich nickte. Erstaunlich, wie viele Leute das von
sich behaupteten.
    »Nein, stimmt nicht«, verbesserte sie vehement.
»Ich bin extra gekommen.« Sie hob fast trotzig das Kinn. »Überrascht Sie das?«
    »Ja«, sagte ich wahrheitsgemäß.
    »Ihre Art gefiel mir.«
    »Auch das überrascht mich.«
    »Sie haben die Ruhe weg, hm?«
    Ich war noch immer halbbetrunken, dachte ich.
Nahezu eine Drittel Flasche Scotch auf leeren Magen, wie immer man es
betrachtete. Gastritische Zeiten.
    »Was macht der Schornstein?« fragte ich.
    Sie grinste, zähnebleckend wie ein Hai.
    »Der blöde Wilfred hat mir noch nicht verziehen.«
    »Und das Feuer?«
    »Brennt wie Rom.« Sie musterte mich

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