Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiskerns Nachlass

Weiskerns Nachlass

Titel: Weiskerns Nachlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
Vom Netzwerk:
muss nur noch die Soße machen.«
    »Aber auf keinen Fall mit Fett. Und bitte ohne Sahne, ich will keinen dicken Hintern bekommen.«
    »Soßen kann ich nicht mit Wasser machen, es soll schließlich schmecken. Und was du bei mir zunimmst, das trainieren wir hinterher gemeinsam ab. Und mit deinem Hintern fangen wir an.«
    Patrizia schlägt spielerisch nach ihm, er wehrt sie ab, dann schiebt er sie aus der Küche und kümmert sich um das Essen.
    Sie amüsiert ihn, er hat sie gern, doch er liebt sie nicht. Sie macht ihm Spaß, es gefällt ihm, sich mit ihr zu unterhalten und mit ihr zu schlafen. Er genießt ihre Anwesenheit und ebenso die Zeit, in der er allein ist und sie nicht sieht, nicht mit ihr sprechen und keine Rücksicht auf sie nehmen muss. Er schätzt es, wenn sie sich nur gelegentlich treffen, und er will sie keinesfalls für immer bei sich haben. Manchmal spricht sie davon, ihre Wohnung aufzugeben und bei ihm einzuziehen, es wäre sinnvoll, würde beiden helfen, Geld zu sparen, und sie könnte die ihm lästigen Hausarbeiten übernehmen, sie würde die Wohnung in Ordnung halten und Wäsche waschen und sich dafür von ihm bekochen lassen. Wann immer sie davon anfing, sagte er, für ein Zusammenleben sei er nicht geeignet. Zusammenzuziehen bedeute bei ihm das Ende einer Beziehung, er müsse ihr abraten, wenn sie weiterhin Wert auf ihn lege, und wenn ihr wirklich an der Beziehung liege, solle sie ihm den Freiraum lassen, der für ihn unabdingbar mit einer eigenen Wohnung, mit einer gelegentlich völlig leeren Wohnung verknüpft sei. Wir können uns sehen, wann immer du willst, sagte er ihr schließlich, und damit war das Thema für ihn beendet.
    Er ist jetzt bereits ein halbes Jahr mit ihr zusammen, und er weiß nicht, ob er diese Beziehung aufrechterhalten will, ob er an dem Mädchen so interessiert ist, dass er das Wagnis eingehen soll, weitere Monate mit ihr zusammenzubleiben, denn nach seiner Erfahrung leiten Frauen aus der Zahl der gemeinsam verbrachten Monate Rechte und Forderungen ab. Nach einem Vierteljahr, so hat er es immer wieder erlebt, ist es einfach und unkompliziert, sich von einer Frau zu verabschieden, nach zweiJahren kostet es bereits mehrere Wochen, klarzumachen, dass die Beziehung gestorben ist. Es gibt offenbar eine Art Verfallsdatum für Trennungen. Nach einer einzigen Nacht kann man sich geradezu liebevoll verabschieden, danach wird es schwierig und mit der Zeit dann fast unmöglich. Vielleicht gewähren Frauen dem Anspruch ihrer Partner auf Alleinsein eine Garantiezeit. Solange die Garantie gilt, wird vieles toleriert und hingenommen, doch wer die Zeit überschreitet, verliert jeden Anspruch auf ungebundene Einsamkeit und hat für alle Zeit gesellig zu sein und mit Begleitung zu leben. Dann ist eine Gemeinsamkeit zementiert und besiegelt, wer sie auflösen will, muss mit schwerem Gerät anrücken. Seit er diese Merkwürdigkeit begriffen hatte, achtete er darauf, diese Garantiezeit im Auge zu behalten, ganz so wie bei einem Auto oder einem Fernseher. Ansonsten gab es jedes Mal Ärger.
    Aber vielleicht, sagt er sich, ist er mittlerweile zu so etwas wie Liebe nicht mehr fähig, vielleicht ist er zu alt dafür oder zu müde. Nach wie vor ist er gern mit Frauen zusammen, er ist lieber in ihrer Gesellschaft, geht lieber mit ihnen aus als mit seinen Freunden, und die Gespräche mit Frauen sind ihm angenehmer als die etwas drögeren Unterhaltungen mit Männern, wenn er von seiner Billardrunde einmal absieht, die ihm wichtig ist. Im Institut schätzt er nur die Kolleginnen, und nur mit ihnen führt er private Gespräche, während er mit den männlichen Mitarbeitern sich auf das Unumgängliche beschränkt und Unterhaltungen vermeidet. Er liebt Frauen, aber er braucht die Distanz. Er verträgt es nicht, wenn Tag und Nacht eine Frau um und bei ihm ist, und sei es auch nur im Nachbarzimmer. Er hat siegern, es macht ihm Spaß, für sie zu kochen, er schläft gern mit ihnen, aber das war es dann auch. Nach einer gemeinsamen Nacht macht er das Frühstück, bringt es auf Wunsch sogar ans Bett, doch danach möchte er, dass sie gehen. Nach dem Frühstück will er allein sein, ganz allein, und er wird ungeduldig, wenn sie noch für Stunden das Bad blockieren oder die Küche aufräumen. Er wird unleidlich und gereizt. Er sitzt an seinem Schreibtisch und ist unfähig, sich zu konzentrieren. Er lauscht den Geräuschen nach, die ihn aus den anderen Räumen seiner Wohnung erreichen, und wartet nervös darauf, dass

Weitere Kostenlose Bücher