Weiß (German Edition)
zu Tag trauriger wurde. Dann kam eines Morgens ein kleiner Vertreter in die Stadt Weiß gefahren. Gott weiß, wie diese arme Seele sich in diese schreckliche Stadt verirrt hatte, aber sicher war von vornherein, dass sie hier nicht mehr lebend hinausgelangen würde.
Der grauhaarige Vertreter musste aufgrund einer Autopanne in einem örtlichen Hotel einchecken und erkundigte sich bei dieser Gelegenheit nach dem lokalen Nachtleben, da er ja, wenn er denn schon einmal notgedrungen hier wäre, das Zweckmäßige zumindest mit dem Angenehmen verbinden könnte.
Die füllige Rezeptionistin empfahl ihm eine Reihe mehr oder weniger empfehlenswerter Lokalitäten und frohen Mutes machte sich der graue Vertreter nach Anbruch der Dunkelheit auf den Weg. Du kannst mit Sicherheit erahnen, was im Nachfolgenden passierte.
Der kleine Vertreter traf auf die problembehaftete Tamara, die schon beinahe nicht mehr daran glauben wollte, dass es auch für ihren Topf einen passenden Deckel gab, sofern sie sich nicht dazu bereit erklärte, ihre Körperrasur auf den Gesichtsbereich auszudehnen. Dies wiederum lehnte Tamara rigoros ab, denn immerhin hatte sie ihren Stolz!
Es ergab sich, dass der kleine Vertreter, aus unbekannten Gründen, eine übergroße Schwäche für weibliche Körperbehaarung hatte und sich, völlig entgegen Tamaras wachsender Überzeugung, Hals über Kopf in die ehemalige Supermarktkassiererin verliebte. Der kleine, graue Mann verließ die Stadt nicht mehr und heiratete seine haarige Angebetete.
Eine Weile lebten die beiden glücklich vor sich hin, der Vertreter verdiente genug Geld und Tamara konnte ihr Leben außerhalb des grellen Neonlichts genießen. In den Supermarkt ging sie von nun an nur noch als Kundin und ihre flaumige Oberlippenzierde trug sie bei diesen Gelegenheiten besonders stolz zur Schau.
Irgendwann wurde Tamara diese Freizeitbeschäftigung jedoch zu eintönig und sie begann sich zu langweilen. Um ihre Sehnsüchte zu befriedigen, kaufte ihr der kleine Vertreter einen schicken Computer inklusive Internetzugang. Tamara, zunächst noch etwas misstrauisch, freundete sich langsam aber sicher mit diesem neumodischen Gerät an und geriet dabei immer tiefer in die tiefsten Tiefen des Internets.
Sie entdeckte die tollsten Sachen; von extravaganten Kochrezepten über Anleitungen zur effektiveren Nutzung des eigenen Kleiderschranks, bis hin zu den Internetpräsenzen von Fetischisten verschiedenster Art.
Zunächst war Tamara über diese ihr unbekannte Welt äußerst überrascht, spürte zugleich aber eine sich in ihr regende Faszination für diese fremden Phantasien und Begierden. Nach kürzester Zeit stellte sich heraus, dass ihr ganz persönliches Problem, wegen dem sie so viel Kummer und Leid erlitten hatte, in Wirklichkeit überhaupt kein Problem zu sein schien, da ihr kleiner, grauer Vertreter offensichtlich nicht der einzige Mensch auf der Welt war, der sich auf eine haarige Damenoberlippe eingeschossen hatte. Und als sie sich die Steckbriefe der verschiedenen Männer ansah, die ebenfalls derartige Gelüste verspürten, gelangte sie zu der Erkenntnis, dass sie mit ihrem vormals so geschätzten Vertreter eigentlich keinen besonders guten Fang gemacht hatte. Im Gegenteil schien er sogar einer der langweiligsten und hässlichsten Haarfetischisten zu sein, was die stolze Tamara über alle Maßen empörte.
Heimlich veröffentlichte sie eine Fotografie von sich und ihrer haarigen Dekoration auf einer der einschlägigen Seiten und als sie die berauschende Resonanz empfing, reifte in ihr ein Entschluss.
Tamara, die sich viel zu schnell und aus den völlig falschen Gründen einem einzigen Mann hingegeben hatte, obwohl sie viele andere, weitaus attraktivere Exemplare hätte bekommen können, beschloss, sich ihres kleinen, grauen Vertreters zu entledigen. Dabei galt es allerdings nicht nur zu beachten, nicht erwischt zu werden, sondern die ganze Geschichte musste überdies hinaus so angestellt werden, dass sie die alleinige Erbin seines, wenn auch nur geringen, Vermögens wäre. Tamara war nämlich keineswegs dumm und plante im Voraus.
Die Einzelheiten der Ermordung des kleinen, grauen Vertreters sind mir nicht bekannt und wenn sie es wären, hieße das im Umkehrschluss, dass Tamara mit ihrem Vorhaben gescheitert wäre, was allerdings nicht der Fall war. Der kleine Mann starb offiziell an einem Herzversagen, Tamara sackte seine Kohle ein und vergnügte sich von diesem Tage an mit wechselnden Männerbekanntschaften,
Weitere Kostenlose Bücher