Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiss

Weiss

Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
Vom Netzwerk:
»Kolosseum« erschossen, nur wenige hundert Meter von der Straße entfernt, die sie gerade entlangging. Der Mörder wurde nie gefasst, aber Milica Molnar wusste, wer die Verantwortung für den Anschlag trug. Der beliebte Uroš stellte für Bogdan Bojanić damals eine Bedrohung dar, und bei Naša Stvar verlangte die Stellung als Chef, dass Gefahren eliminiert wurden. Bojanić hatte bis zum heutigen Tag ihr gegenüber den Tod von Uroš mit keinem Wort erwähnt, obwohl ihr Ehemann einer seiner engsten Mitarbeiter gewesen war. Eines hatte Bojanić ihr allerdings sofortklargemacht: Von Voždovac trennte man sich nicht, wollte jemand den inneren Zirkel der Organisation verlassen, gab es nur einen Weg, und das war der, auf dem man seine letzte Reise antrat.
    Milica Molnar war kinderlos, Witwe, noch ziemlich jung und mit Bogdan Bojanić und Voždovac durch Bande verknüpft, die fester waren als jene, mit denen der Pope sie und Uroš Molnar vor acht Jahren in der Kirche des Heiligen Erzengel Gabriel miteinander verbunden hatte. Sie kannte nur ein Mittel, von Bojanić loszukommen: Wenn die Behörden den Mann mit seinen engsten Helfern ins Gefängnis beförderten, würde irgendeine der konkurrierenden Organisationen in Belgrad die Reste von Voždovac zerschlagen. Und sie damit befreien.
    Milica Molnar erreichte den kleinen Park Rozali Morton und holte ihr Handy heraus und den Zettel mit der Telefonnummer der Frau, die in der Villa von Bojanić für Unruhe gesorgt hatte. Sie wusste, was Bojanić mit der Finnin vorhatte. Erst raubten diese Schweine ihre Tochter und nun, drei Jahre später, wollten sie die Frau umbringen. Sie tippte Kati Soisalos Nummer ein.
    »Ich rufe an, um Sie zu warnen«, sagte Milica Molnar in ihrem schwachen Englisch. »Bogdan Bojanić will …«
    Kati Soisalo unterbrach sie: »Ist meine Tochter am Leben?«
    »Sie müssen jetzt sofort aus Belgrad abreisen. Fahren Sie zum Flughafen und lassen Sie Ihre Sachen im Hotelzimmer. Die Männer von Bojanić …«
    »Ohne meine Tochter fahre ich nirgendwohin. Wer sind Sie? Sagen Sie mir Ihren Namen.« Erregt entfernte sich Kati Soisalo von der Rezeption des Hotels Moskva.
    »Hören Sie mir zu!« Milica Molnars Stimme wurde lauter. »Man will Sie umbringen. Die Leute von Bojanić haben vor einer Stunde die Informationen über Ihre Tochter bekommen, die sie haben wollten, man wird Sie jeden Augenblick abholen. Bogdan Bojanić ist durch und durch verdorben und ein verrückter Killer,aber in der Organisation der Balkan-Route ist er bloß ein kleines Licht. Die Schlüsselfigur ist Dimitri Arbuzow, er verkauft die entführten Kinder und Frauen von Russland aus nach West- und Mitteleuropa und in die nordischen Länder. Finnland wird als Transitland benutzt, Sie sollten in Ihr Heimatland zurückkehren und dort weiter suchen«, sagte Milica Molnar und schaltete das Telefon aus.
    Kati Soisalo hielt ihr Handy am Ohr und rief so laut hallo, dass die Leute im Foyer zu ihr hinschauten. Sie marschierte quer durch das Foyer zu den Aufzügen und bemerkte, dass zwei Männer, die vorher die ganze Zeit untätig herumgesessen hatten, aufstanden und ihr folgten. …
Lassen Sie Ihre Sachen im Hotelzimmer …
Die Worte der Anruferin klangen ihr noch im Ohr. Wollte man im Hotelzimmer über sie herfallen? Zum Glück waren die wichtigsten Unterlagen zu Vilma in ihrer Schultertasche, und auch den Pass hatte sie bei sich, die anderen Sachen durften in Belgrad bleiben.
    Entschlossen lief sie an den Aufzügen vorbei. Was zum Teufel sollte sie jetzt tun? Das Schild der Damentoilette war ihre Rettung, dorthin könnten die Männer ihr nicht folgen, denn das würde im Foyer für Aufsehen sorgen. So gewann sie etwas Zeit zum Nachdenken. Sie betrat die leere Toilette, schloss sich in eine Kabine ein und setzte sich auf den Deckel. Dann holte sie ein paarmal ganz ruhig und tief Luft und ging all ihre Möglichkeiten durch, dabei sagte sie sich immer wieder: Denke wie eine Juristin, analysiere die Alternativen und wähle die beste.
    Als sie wenig später aus der Kabine herauskam, bemerkte sie zu ihrer Enttäuschung, dass es in der ganzen Damentoilette kein einziges Fenster gab. Hatte sie vorhin am Ende des Ganges eine Tür gesehen? Sie holte ihre Handtasche heraus, suchte die Haarbürste und putzte den im Griff eingelassenen Spiegel. Mit Müh und Not ließ sich der Griff unter der Tür hindurch ein Stück auf den Flur schieben, es knisterte, als sie ihn so drehte, dass sie im Spiegel dasFoyer sehen konnte.

Weitere Kostenlose Bücher