Weiss
zurückbeordern«, sagte Birou erfreut. So leicht käme er davon? Ging es gar nicht um Geld?
»Nein. Wenn Ermittlungen des UNODC plötzlich abgebrochen werden, würde das bei den anderen Behörden, die sich mitBojanić und Arbuzow beschäftigen, nur auffallen und Fragen aufkommen lassen. Sie bringen uns mehr Nutzen, wenn Sie uns Informationen übermitteln, wir wollen alles erfahren, was über die Aktivitäten des Menschenhändlerringes herausgefunden wird. Ihre zweite Aufgabe besteht darin, uns über die Ermittlungen zu den Anschlägen in Marcoule und Sellafield zu berichten. Nehmen Sie Verbindung zu Interpol und allen anderen Behörden auf, zu denen Sie Beziehungen haben. Bringen Sie bei Ihren Kollegen möglichst viel in Erfahrung, nutzen Sie all Ihre Kontakte. Tun Sie alles, was Sie können, und am Schluss entscheiden wir, ob das genug war.«
»Ich brauche Zeit.« Birou war nahe daran, in Tränen auszubrechen.
»Ihre erste Zusammenfassung übermitteln Sie morgen früh«, sagte der Mann mit der eintönigen Stimme.
»Vernichten Sie die Fotos, wenn …«, erwiderte Birou, doch das Gespräch war schon beendet. Die Antwort kannte er ohnehin: In der digitalen Ära waren Fotos genauso unsterblich wie Gerüchte. Er würde den Erpressern bis ans Ende seiner Tage ausgeliefert sein, selbst wenn er alles tat, was sie verlangten.
Birou trat an die Fenster seines Büros in der dreizehnten Etage und schaute auf einen Mann, der den Verbindungsgang zum Haus D entlangrannte, und auf die Menschen, die draußen an den Tischen der Restaurants saßen. Er bereute nichts. Schon vor Jahren hätte er auf die Stunden als Mathilde verzichtet, wenn er nur dazu imstande gewesen wäre, aber wer verzichtete schon freiwillig auf die einzigen Glücksmomente in seinem Leben? Es war in gewissem Sinne nur natürlich, dass alles so zu Ende gehen würde, wie es begonnen hatte, mit einer kalten und herzlosen Tat gegenüber Mathilde. Im Jahr 1969 hatte sein Vater von dem unzertrennlichen Verhältnis zwischen Sohn und Mutter genug gehabt. Er renovierte das alte Gartenhaus und befahl Mutter, dort einzuziehen. Damit war das Leben seiner Mutter gleichsam zuEnde gewesen, sie zog sich in sich selbst zurück, wurde krank und schwand langsam dahin.
Das Telefon klingelte und unterbrach seine Gedankengänge.
»Die Lage hat sich geändert. Du musst Kara schon heute aus Helsinki abziehen«, sagte Betha Gilmartin.
13
Samstag, 14. August
Eine Fliege landete auf dem Nachttisch, summte auf der Bettdecke herum, flog weiter und stieß gegen die Scheibe des Schlafzimmerfensters. Kati Soisalo wachte auf und hörte Leo Kara schwer atmen. Ihr fiel ein, was letzten Abend geschehen war, und sie wusste nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. Das kam vom Wein. Alles war schlagartig passiert, ungeplant und unbeabsichtigt. Sie und Kara und Sex; und der Mann war im Bett wirklich alles andere als eine träge Flunder. Dann dachte sie daran, was Kara von seiner Schwester erzählt hatte, und sie spürte schmerzhafte Sehnsucht. Würde Vilma nun mit sechs Jahren immer noch nachts zu ihr unter die Decke kriechen? Sie konnte sich nicht einmal mehr richtig erinnern, wie Vilma geduftet hatte, wenn sie sich an ihre Schulter kuschelte.
»Wie hast du dir die Hand verletzt?«, fragte Kara so überraschend, dass Kati Soisalo zusammenzuckte.
»Ich dachte, du schläfst.«
»Das würde ich gern, wenn ich es könnte. Heute Nacht habe ich aber wenigstens keine Alpträume gehabt.«
Kati Soisalo rieb sich das Handgelenk und schob die Hand unter die Decke, um sie zu verstecken, dabei berührte sie Karas steifes Glied. Sie lächelte. Nach kurzem Überlegen zog sie die Hand heraus und zeigte Kara eine fünf Zentimeter lange Narbe. »Es dürfte nicht schwer sein, zu erraten, was passiert ist, wenn jemand, der nervlich ein Wrack ist, so etwas an der Pulsader hat.«
»Dann haben wir beide Narben«, sagte Kara und zeigte seine Narbe am Haaransatz.
»Wie bist du zu der gekommen?«
»Eine Schusswunde. Die stammt aus … den Tagen in London, von denen ich gestern erzählt habe. Das ist alles, was ich darüber weiß, und auch das habe ich erst vom Arzt eine Woche danach erfahren. Durch die Kugel kam es zu einer Verletzung des Frontallappens, und das führte zu einer Persönlichkeitsveränderung.«
Sie lagen eine Weile schweigend da, dann ging Kati Soisalo ins Bad, duschte, zog den Bademantel an und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Das Bett war leer. Im Wohnzimmer stellte sie zu ihrer Überraschung
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