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Weiss

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Titel: Weiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taavi Soininvaara
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beiden Kleintransporter zu verladen. Aus irgendeinem Grund hatte Arbuzow angeordnet, das Fleisch diesmal sofort an seine Bestimmungsorte zu bringen. In der Regel durfte sich die Fracht erst ein paar Tage ausruhen und Kräfte sammeln, bevor sie in verschiedene Teile Finnlands, Schwedens, Norwegens, Dänemarks und der baltischen Länder weiterbefördert wurde.
    Die Lieferwagen fuhren aus der Halle hinaus, die Schiebetüren wurden geschlossen, und Krylow betrat das Büro. Er zuckte zusammen, als er einen Mann sah, der mit dem Rücken zu ihm stand, erkannte ihn aber sofort an seiner Kleidung. Das war Dimitri Arbuzow. Kein anderer russischer Krimineller, den er kannte, trug ein hellrotes Bowling-Shirt, geblümte Bermudashorts und zitronenfarbene Crocs-Sandalen. Das runde Gesicht, die kurzen, fast weißen Haare und die rosige Haut ließen Arbuzow aussehen wie ein riesiges Baby.
    »Dimitri!«
    »Ratte!«
    Die beiden begrüßten einander freudig und küssten sich auf die Wangen – links, rechts und wieder links. Dann spürte Krylow eine vierte Berührung, eine kalte. Arbuzow drückte ihm die Pistole ins Gesicht und starrte ihn lächelnd an, ihre Nasen berührten sich fast.
    Krylow rammte Arbuzow mit der Stirn, griff nach der Waffe und stieß ihm das Knie in den Unterleib. Arbuzow brüllte auf und krümmte sich vor Schmerz, die Pistole fiel zu Boden, und er sackte zusammen und begrub sie unter sich. Krylow trat den am Boden liegenden Mann, der sich stöhnend auf den Rücken wälzte und den Griff der Waffe zu fassen bekam. Der Weg zur Tür des Büros war nun versperrt, also drehte sich Krylow um und stürztein die Halle, er musste sie verlassen, bevor Arbuzow schießen konnte.
    Doch diese Hoffnung war vergeblich, das wurde ihm klar, als er an der Klinke des Tores zerrte – abgeschlossen. Und er hatte keine Waffe.
    Es blieb nicht viel Zeit, vielleicht schaffte er das nicht schnell genug, aber Alternativen gab es nicht.
    Krylow nahm einen Benzinkanister, der an der Wand stand, schüttete Benzin unter den Tank der Zugmaschine und hörte Arbuzows unsichere Schritte. Doch das Fahrzeug bot ihm Sichtschutz, Aufschub für ein paar Sekunden.
    Er legte sich auf den Bauch und sah Arbuzows Schuhe knapp zwanzig Meter entfernt auf der anderen Seite des Lastzugs. Hastig griff er sich ein Stück Stahlrohr und schlug mit dem scharfen Ende gegen den Benzintank, einmal, zweimal, gottverdammt, warum platzte das Ding nicht? Beim fünften Schlag strömte endlich stinkendes Dieselöl heraus und floss auf den Fußboden. Aber Arbuzows Schritte waren schon ganz in der Nähe zu hören.
    Krylow zündete wenige Meter von der rasch größer werdenden Pfütze entfernt eine Zigarette an und warf sie im selben Augenblick in das Benzin, als Arbuzow hinter der Fahrerkabine hervorkam. Zwischen den Männern loderte ein Flammenmeer hoch wie eine Feuerwand, aber Kugeln konnte sie nicht aufhalten. Die erste schlug in der Schiebetür ein, die zweite in Krylows Hals und die dritte in seiner Brust.
     
    Dimitri Arbuzow vergewisserte sich, dass Krylow tot war, und verließ schnell die Halle, die sich in einen Backofen verwandelte. Er schnappte sich die Drogenbeutel, rannte zu seinem Wagen, gab Gas, fuhr auf die Landstraße 3864 und wenig später auf die 387 und entspannte sich erst auf der Zufahrt zur E18 ein wenig. In anderthalb Stunden würde er in Helsinki sein.
    Ein Menschenhändler bekam ab und zu Probleme, das wussteDimitri Arbuzow schon seit fast zehn Jahren. Es war gefährlich, Geschäfte mit einer Ware zu machen, die ihren Verkäufer anzeigen konnte. Aber das ließ sich nicht ändern, Menschenhandel war jedenfalls einträglicher als Drogenhandel: Ein Gramm Drogen ließ sich einmal für hundert Euro verkaufen, aber ein Mädchen konnte man zum gleichen Preis zehnmal pro Tag verkaufen, und das zehn Jahre lang. Kein Wunder, dass in der Welt heute jedes Jahr Millionen Menschen verkauft wurden, gemessen am Geld war der Menschenhandel weltweit die bedeutendste Form der Kriminalität geworden.
    Die Ursache aller derzeitigen Probleme Arbuzows lag im Kidnapping eines kleinen Mädchens vor drei Jahren in Dubrovnik. Er kannte den Fall gut, es war eine der ersten von ihm organisierten, wichtigen Entführungen gewesen, und er hatte die Männer persönlich befragt, die diese Sache damals erledigt hatten. Ein heißer Tag, ein Kind, das allein mit seiner Mutter im Park war und genau die Anforderungen einer Bestellung erfüllte: ein dreijähriges blondes Mädchen, hübsch wie

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