Weiss
letzten Jahr öfter an internationalen Ermittlungsgruppen beteiligt als irgendein anderes Polizeiorgan eines EU-Staates.«
Der Experte wirkte verlegen. »Zumindest müssen die Ressourcen für die Aufklärung im Bereich der Kriminalität ausgebaut werden, wie du selbst gesagt hast. Insbesondere die Mafiaorganisationen aus Serbien, Bulgarien und Albanien breiten sich in raschem Tempo überall in Europa aus, und sie machen Geschäfte mit dem Schmuggel von Waren, mit Drogen und dem Menschenhandel. Auch in den nordischen Ländern werden die Mafiaorganisationen aus den Balkanländern und Litauen schnell immer stärker, die schwedische Polizei hat schon große Probleme mitden Serben. Und die Balkan-Route ist zum wichtigsten Weg für den Transport von Drogen ins EU-Gebiet geworden.«
»Sind aus Russland Informationen über Krylow gekommen?«, fragte Ukkola Nyman.
»Die haben überraschenderweise einen ganzen Stapel Informationen geschickt. Krylow war Major des FSB.«
In Jukka Ukkolas Kopf setzte etwas aus. Er begriff zwar, was Nyman gesagt hatte, aber sein Gehirn weigerte sich, es zu glauben. Hatte er zusammen mit einem Offizier des russischen Geheimdienstes am Menschenhandel teilgenommen und Drogen in Finnland verbreitet? Wusste man in Moskau von seiner Rolle?
»Krylow hat also verdeckt ermittelt?«, fragte Polizeirat Neulamaa.
Nyman nickte. »Wir haben die Unterlagen aus Moskau erst vor ein paar Minuten bekommen, um die zu sichten, benötigt man jedoch mehrere Stunden.«
»Ich lasse euch jetzt eure Arbeit weitermachen. Haltet mich auf dem Laufenden«, sagte der Polizeirat und verließ den Beratungsraum, der Experte folgte ihm auf den Fersen.
Ukkola wartete, bis die Tür zu war. »Ich will die Unterlagen aus Moskau sehen.«
»Aber gern. Damit kann man sein Wochenende auf angenehme Weise verbringen, das sind an die zweihundert Seiten«, erwiderte Nyman frohgelaunt. »Sie sind per E-Mail gekommen und können direkt auf deinen Rechner geschickt werden.«
Das war der letzte Nagel für seinen Sarg. Eine totale Katastrophe, er wäre auf keinen Fall imstande, aus den Moskauer Unterlagen die Informationen herauszufiltern, die ihm oder dem Kabinett schaden konnten. Ukkola zeigte mit dem Finger auf Virta. »Wir unterhalten uns heute noch«, sagte er und verließ den Beratungsraum.
Ukkola ging kurz in sein Zimmer, um Fidel eine Nachricht über den Blogdienst Twitter zu schreiben, fuhr dann mit demAufzug ins Parkhaus hinunter, setzte sich in seinen Volvo und rief Arbuzow an.
»Wusstest du, dass Krylow ein Mann des FSB war?«, brüllte Ukkola und hörte, wie Arbuzow bremste.
»
Blya!
Wer behauptet das?«
»Der FSB!«, rief Ukkola.
»Das ist unmöglich. Ich habe ›Ratte‹ im Kresty kennengelernt, im Untersuchungsgefängnis Nr. 1, dem beschissensten Ort in St. Petersburg.«
Ukkola fuhr über die Auffahrt auf den Ring III, sein Gehirn lief auf Hochtouren. »Hast du Krylow Arbeit angeboten, oder hat er selbst vorgeschlagen, bei dir mitzumachen?«
Arbuzow überlegte einen Augenblick, wie er antworten sollte. »Ich hatte zu der Zeit Probleme mit den Heroinlieferungen der Tschetschenen. Krylow hat sich angeboten, die Sache zu erledigen, und damit fing sie an, unsere Zusammenarbeit.«
»Alle Aktivitäten, die mit dem Drogenhandel zu tun haben, werden ab sofort eingefroren. Und für dich wäre es am klügsten, auf der Stelle nach St. Petersburg zurückzukehren«, sagte Ukkola, brach das Gespräch ab und lenkte seinen Volvo auf die Ausfahrt zum Einkaufszentrum »Jumbo«. Er fuhr in die abgelegenste Ecke des Parkplatzes und spürte in der Nase den widerwärtigsten aller Gerüche, den Gestank des Misserfolgs. Sein Vater fiel ihm ein, als er zum zehnten Mal vergeblich auf eine Beförderung gewartet hatte, das Gesicht seines Professors, als er zum vierten Mal durch dieselbe Prüfung gerauscht war, die Frauen, bei denen er sich einen Korb geholt hatte … Er wusste genau, wie Misserfolg roch.
Endlich kurvte das dunkle Mercedes-Coupé auf den Parkplatz. Ukkola wartete, bis er anhielt, und stieg dann in Fidels Auto.
»Zwei Treffen unter vier Augen am selben Tag.« Fidel wandte sich nicht einmal zur Seite, um Ukkola anzuschauen.
»Das ist alles Krylows Schuld. Es besteht die Gefahr, dass durch die Ereignisse in Ylämaa auf einen Schlag die ganze Wurmbüchsegeöffnet wird. Der Polizeirat hat sich in den Fall eingemischt, und jetzt laufen bei uns schon Ermittlungen zum Menschenhandel, zu Arbuzows Organisation und, was beinahe das
Weitere Kostenlose Bücher