weißblau queer gestreift
Maria und Franz. Sie stehen auf der Terrasse. Da ist aber noch jemand, eine Frau. Ich glaube, das ist die Frau Winkelmoser. Sofort muss ich an Heidis Schilderungen denken, wie sie sie als wirklich tratschfreudig und unsympathisch beschrieben hat, und mir wird ganz mulmig zumute. Ich stelle den Wagen seitlich der Einfahrt ab und gehe durch den Garten in Richtung Terrasse. Ich höre die Frau Winkelmoser schon, bevor ich noch um die Hausecke biege und sie sehen kann.
»… und dann hat’s mir eine Watschn gegeben! Eine echte Watschn, die richtig gebrannt hat, kann ich euch sagen! Lüge, Sünde und Gewalt! Von Reue keine Spur. So ist die Adelheid. Alte, wehrlose Frauen schlagen und Gott verleugnen! Und was in ihrem Bett vorgeht … pfui, davon will ich gar nichts wissen! Das Mädel wird in der Hölle brennen, wenn’s so weitermacht!«
Inzwischen kann ich die Szene sehen. Frau Winkelmoser steht im Garten und fuchtelt beim Reden wild mit den Händen. Maria und Franz wenden ihren Blick von der aufgebrachten Anklägerin hin zu mir. Daraufhin dreht sich Frau Winkelmoser um und richtet ihren Zeigefinger auf mich. »Da ist sie ja die Mandy! Sag, du hast das doch gewusst mit der Heidi, oder? Dass sie Frauen nachläuft. Warum hast du nix gesagt?«
»Ja, ich habe es gewusst. Gesagt habe ich nichts, weil mich Heidi darum gebeten hat. Und wenn ich Sie so erlebe, verstehe ich auch, warum Heidi das geheim halten wollte.«
»Wie? Was?«
»Sie reden von Hölle und bezeichnen lesbische Liebe als Sünde. Ich weiß jetzt, wovor Heidi solche Angst hatte: vor intoleranten Menschen wie Ihnen! Und wie Sie sich hier aufführen und versuchen Maria und Franz gegen ihre eigene Tochter aufzuhetzen!«
»Ja, spinnst du? Bist du auch so eine gottlose Furie wie die Adelheid? Steckst du mit ihr unter einer Decke? Seid ihr ein Paar, ihr zwei Höllenkinder? Pfui Teufel!«
»Jetzt Moment mal, Zenz!«, mischt sich Franz ein. Er macht einen Schritt auf Frau Winkelmoser zu. »Wie redest du über die Adelheid? Sie ist noch immer unsere Tochter, vergiss das nicht!«
»Aber ich bin zu euch gekommen, um euch die Augen zu öffnen. Damit ihr der Sünde Einhalt gebieten könnt! Damit weitere Untaten verhindert werden! Eure Tochter ist eine Sünderin, eine die vor nichts zurückschreckt! Schämt ihr euch denn nicht für euer missratenes Kind?«
Franz stemmt seine Hände in die Hüften. Er sieht jetzt richtig groß und Respekt einflößend aus. So kenne ich ihn noch gar nicht.
»Nein, wir schämen uns nicht«, knurrt er. »Du solltest jetzt gehen, bevor du dir noch mal eine Watschn einfängst!«
»Sodom und Gomorrha! Überall Sünde! Und ich meine es doch nur gut! Will dem Weg des Herrn folgen und meine Pflichten tun! Schlag mich doch! Dann bist du nicht besser als deine Tochter!«
In dem Moment schlägt Franz tatsächlich zu. Nur ganz leicht, ich höre es kaum klatschen. Frau Winkelmoser berührt ungläubig ihre Wange und starrt auf Franz. Der sagt: »Das hast du nun davon. Und jetzt schleich’ dich, du alte Hex’!«
Frau Winkelmoser bleibt stehen. Sie sagt nichts, hält sich nur die Wange und atmet schwer. Dann fällt sie um.
◊◊◊
Was ist da los? Das sind doch Sirenen? Ich gehe zum Fenster und sehe hinaus. Ein Krankenwagen biegt um die Ecke. Er hält vor dem Haus meiner Eltern. Sofort durchfährt es mich eiskalt. Ach, du Scheiße! Die wütende Winkelmoserin! Mama und ihr Blutdruck! Die Aufregung war bestimmt zu viel für ihr Herz!
In Jogginganzug und Pantoffeln stürme ich aus der Wohnung. Als ich das Haus meiner Eltern erreiche, fährt der Krankenwagen gerade wieder fort. Ich laufe auf die Terrasse. Dort sehe ich Mandy und meine Eltern. Meine Mutter lässt sich gerade in den Gartenstuhl sinken.
»Mama! Mama, alles okay?«, frage ich voll Sorge und eile zu ihr hin.
»Adelheid«, stöhnt sie leise. »Oh mei, Adelheid …« Dann schweigt sie, schüttelt nur stumm den Kopf.
Verwirrt sehe ich zu meinem Vater. »Was ist hier los, Papa?«
Der setzt sich auf einen Stuhl neben meiner Mutter. Er zuckt mit den Schultern und meint: »Die Winkelmoser Zenz ist umgefallen. Die haben sie gerade weggebracht.«
»Die Winkelmoserin? – Aber euch geht’s gut? Euch fehlt nix?«
Mein Vater wirkt etwas genervt. »Also der Krankenwagen war wegen der Winkelmoserin da. Nicht wegen uns.«
Ich schaue nervös zwischen meinem Vater und meiner Mutter hin und her. Am liebsten würde ich sofort wieder davonlaufen und mich verstecken. Aber ich weiß, das
Weitere Kostenlose Bücher