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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Und sie schlug ein, nahm die Glocke und fuhr wie ein leichter Wind über das Feld und die Heide hin. Er sah sie verschwinden und dabei dünkte ihm, sie wie ein Nebel hinfließen zu sehen und sanft fortzulaufen. Alle seine Haare richteten sich zu Berge.
    Der Unterirdische, der ihm die Glocke in der Verkleidung einer alten Frau abschwatzte, hatte ihn nicht betrogen, denn die Unterirdischen dürfen nicht lügen, sondern das Wort, das sie geben, müssen sie halten, denn wenn sie lügen, werden sie schnurstracks in die garstigsten Tiere, wie Kröten, Schlangen, Mistkäfer, Wölfe oder Affen, verwandelt.“
    Grimassen schneidend, die Finger wie Krallen vorstreckend, stürzte sich Anne auf die Geschwister, die sich angenehm gruselnd und vor Freude kreischend sofort unter der Bettdecke versteckten. Die Kinder lachten zusammen. Erst als Anne ihren Zeigefinger beschwörend auf ihre Lippen presste, verstummten auch die beiden Kleinen.
    „Hört zu, was weiter geschah“, forderte sie die Schwestern auf, die sofort mucksmäuschenstill waren.
    „Die Unterirdischen müssen wohl Jahrtausende in Abscheu und Schmach herumkriechen und herumstreichen , ehe sie erlöst werden. Darum haben sie ein Grauen davor. Der Schäferjunge gab genau Acht und probierte seinen neuen Schäferstab aus. Er fand bald heraus, dass das alte Weib die Wahrheit gesagt hatte, denn seine Herde und das Werk seiner Hände Arbeit gerieten ihm wohl. Er hatte wunderbares Glück, so dass alle Schafherren und Oberschäfermeister seine Dienste begehrten. Er blieb aber nicht lange Schäferjunge, sondern schaffte sich, noch ehe er achtzehn Jahre alt war, seine eigene Schäferei an und war in wenigen Jahren der reichste Schäfer auf der ganzen Insel, so dass er sich endlich ein Rittergut kaufen konnte. Aus dem Schäferjungen war ein Edelmann geworden und er hat sich auch als reicher Herr, rechtschaffend, klug und fromm betragen, so dass er bei allen Leuten Lob erntete. Seine Söhne hat er wie Junker erziehen lassen und seine Töchter wie Fräulein. Von den Nachfahren des Schäferjungen leben noch einige und dünken sich jetzt vornehme Leute.“
    Fast flüsternd endete Anne mit dem Erzählen. Sie hatte bemerkt, wie Lisa und Helene, Rücken an Bauch wie Löffelchen liegend, in den Schlaf hinübergeglitten waren. Behutsam deckte sie die nackten Ärmchen der Schwestern zu, dann legte sie sich neben sie.
    Sie ertappte sich bei Grübeleien, was sie sich wohl wünschen würde, sollte sie selbst einmal einem Unterirdischen begegnen, den sie mit der Herausgabe von Mütze, Schuh oder Spange aus großer Not befreien könnte.
    Hätte das Männlein sie gestern gefragt, auf der Stelle hätte sie sich gewünscht, dass der junge Herr sich unsterblich in sie verliebe, doch heute fiel ihr die Antwort ungleich schwerer. Blaue Augen mischten sich in ihre Gedanken und ließen sie lächelnd einschlafen.
     

Stadtgespräche
     
    Franz rückte die Öllampe zurecht und verfluchte nicht wenige der Verfasser, die für Schriftstücke verantwortlich zeichneten, die vor ihm ausgebreitet lagen. Manche Handschrift glich eher Krähenfüßen, die zufällig ins Tintenfass geraten und dann übers Papier gehuscht waren. Zudem behinderte ihn der unselige Hang vieler Briefschreiber, die unmöglichsten Abkürzungen zu verwenden.
    In Latein verfasste Schriftsätze sortierte Franz aus. Er dachte, Ernst damit zu beglücken, schon deshalb, weil sein Freund als ehemaliger Lateinschüler und Mediziner weit besser in der Lage war, damit fertigzuwerden.
    Sinnend schaute er in die Flamme der Lampe.
    Unvermittelt stiegen Bilder aus seiner Erinnerung auf. Oberst Boguslawski nahm vor seinem inneren Auge Gestalt an, wie er versuchte, den sprachbegabten Offiziersanwärter Franz von Klotz in die Freuden des Gebrauchs von Latein und Altgriechisch einzuführen. Damals wie heute bewunderte Franz Wissen und Methodik seines Lehrers auf dem Gebiet der toten Sprachen. Trotzdem empfand er nicht dieselbe Begeisterung wie der Oberst. Franz entsann sich der Veröffentlichung des „Xanthippus’“. Boguslawski hatte für sein Werk Handlung und Figuren verwandt, die der Antike entlehnt waren, jedoch die altertümlichen Ereignisse als Parabeln zur Gegenwart benutzt. Noch während der Besatzungszeit hatten ihm Sprachkenntnisse und Wissen um die Zeitgeschichte dazu verholfen, einen patriotischen Aufruf zu verfassen, ohne Anstoß bei den fremden Statthaltern zu nehmen. Franz war froh, dem Oberst begegnet zu sein. Und erst im Moment der

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