Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
Vom Netzwerk:
rügte Madame pikiert. „Dem Mediziner ist nichts Menschliches fremd, warum sollte er auf einen solchen Hinweis verzichten. Wie sehr die natürlichen Leibesöffnungen zum Wohlbefinden beitragen, bemerkt man leider erst, wenn es damit Schwierigkeiten gibt. Erinnert euch an meine Worte, wenn ihr einmal solchen Nöten ausgesetzt sein solltet, was hoffentlich der Herrgott zu verhindern weiß.“
    Die Strafpredigt verfehlte ihre Wirkung. Die Mädchen zwangen sich zwar aufrichtig, das Lachen zu unterdrücken, jedoch der ausbleibende Erfolg ihrer Bemühungen verärgerte die Witwe ungemein. Sie beschloss daher, das unangemessene Betragen zu ignorieren und einfach fortzufahren, um so die allgemeine Aufmerksamkeit zu erzwingen.
    „Man darf auf keine Art, durch starke Bewegung, heftige Anstrengungen, geistige Getränke usw. erhitzt, oder vollends daher mit Schweiß bedeckt ins Bad gehen.
    In einem Zustande beträchtlicher Ermattung darf niemand geradezu kalt baden.
    Unmittelbar nach einer niederdrückenden Gemütsbewegung darf man sich niemals kalt baden.
    Mit je mehr Frohsinn, Heiterkeit, Vertrauen und Hoffnung man sich dem Neptun in die Arme wirft, desto glücklicher geht, bei sonst gleichen Umständen, das Baden vonstatten.“
    Zufrieden stellte die Baronin fest, ihre Taktik sei aufgegangen. Es herrschte Stille am Tisch, ganz so wie es den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Badearztes gebührte. Nach einer Pause von einigen Atemzügen behauptete Madame unangefochten das Wort. Niemand wagte mehr, einen Laut von sich zu geben.
    „ Wenn das Blut leicht etwas zu Kopfe steigt, zumal bei einiger Vollblütigkeit, muss man den Kopf samt Gesicht und Halse vorher kalt waschen oder auch mit kaltem Wasser übergießen oder mit einem von kaltem Wasser durchnässten Tuche belegen ...“
    Hier unterbrach sich die Baronin mit einem erschrockenen Einwand. „Herrje, wie stellt sich der gute Mann so etwas vor? Dann wäre doch die Frisur ruiniert.“ Sie starrte entsetzt auf die Baderegeln.
    „Dann leidest du eben nicht an Vollblütigkeit und schon bleibst du von einer solchen Behandlung verschont.“
    Margittas prosaischer Vorschlag irritierte Madame, war doch Vollblütigkeit eine ihrer liebsten Erklärungen für diverse Erkrankungen, deretwegen sie sich immer öfter in ihr Boudoir zurückzuziehen pflegte. Doch hier dämmerte ihr die Erkenntnis, wahrscheinlich ermatte sie regelmäßig an einem anderen Leiden.
    Madame, noch immer unter dem Eindruck der recht rüden Methode, ließ sich widerstandslos die Vogel’schen Texte aus der Hand nehmen.
    „Hört mal, was er hier noch schreibt“, verkündete Margitta.
    „Mit einem Badehemde, mit Beinkleidern oder sonst einer Bedeckung ins Bad zu gehen, ist in der Regel zu widerraten.“
    Dort stand es also schwarz auf weiß, dazu gedruckt und in der Öffentlichkeit ausgelegt. Am Heiligen Damm badete die Gesellschaft nackt!
    Johanna ertappte sich bei der frivolen Vorstellung nackter Leiber in den Wellen der Ostsee.
    Margitta überflog den Text und befand eine weitere Stelle für wichtig, um vorgelesen zu werden.
    „ Verhalten im Bad“, zitierte sie. „Man steige weder zu ängstlich, noch zu langsam, noch zu dreist und zu plötzlich ins Bad, und tauche dann den ganzen Körper bis an den Hals in perpendiculairer oder gerader Richtung ein und mehrere Male unter.
    Nach einigen der ersten Bäder tauche man den Körper mal soviel tiefer unter, dass das Wasser auch über den Kopf hinausgehe.“
    Baronin von Plessen hatte genug gehört, um insgeheim die ärztlich verordneten Regeln als undenkbar zu verwerfen. Die Mädchen beugten sich weiterhin interessiert über die Verhaltensmaßregeln und lasen sich einzelne Passagen gegenseitig vor. Mit dem „Verhalten nach dem Bade“, war jetzt Johanna an der Reihe:
    „Gleich nach dem Bade muss man den Körper in gehöriger Ordnung und mit nachdrücklichem Frottieren wohl und vollständig abtrocknen. Ebenfalls in einer gewissen Ordnung und Folge kleidet man sich nun schnell an, und begibt sich dann auf die Promenade, die man so lange fortsetzt, bis man allgemein warm geworden ist.
    Nach der Promenade ist es heilsam, ein Frühstück zu nehmen...“
    „Sehr vernünftiger Vorschlag“, unterbrach Baronin von Plessen Johannas Rezitation. „Hier sollten wir die Unterweisung unterbrechen und unsere Toilette für das Nachtmahl in Angriff nehmen. Putzt euch ordentlich heraus, es sind allerhand wichtige Leute in Doberan. Madame von Böck, die bereits den Beginn der

Weitere Kostenlose Bücher