Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Namensträger als großen Dichter und nicht das eigentliche Genie.“
„Wonach ich noch fragen wollte ...“ Johanna wurde unterbrochen, weil beide Offiziere sich fast gleichzeitig erhoben.
„Verzeihen Sie, wenn ich unhöflich bin und Ihnen ins Wort falle, Komtesse. Doch wir sollten unsere Plätze den wartenden Gästen überlassen und unsere Promenade fortsetzen“, schlug Trebbow geistesgegenwärtig vor. Er deutete in Richtung Vordereingang, durch den sich ein Strom hungriger Badegäste drängte.
Elvira sprang auf, als ob ihr der Stuhl plötzlich zu heiß geworden wäre. „Sie haben ja so recht“, stimmte sie emphatisch zu, „kommt Mädels, bedankt euch bei unserem edlen Spender für das vorzügliche Frühstück und lasst uns aufbrechen.“ Sie rückte ihren Stuhl ordentlich und etwas zu laut zurecht, so als wolle sie das Frühstück und das ungeliebte Thema ein für alle Mal abschließen.
Johanna war klug genug, um zu begreifen, dass ihr das Wort absichtlich abgeschnitten worden war und trug gedanklich ein großes Ausrufungszeichen hinter „vom anderen Ufer“ ein.
Dabei hatte sie nur fragen wollen, wer zur Zeit der Tudordynastie die weiblichen Rollen übernommen habe, denn dass Julia ein blutjunges Mädchen gewesen sei, war unstreitig geblieben.
Die Offiziere und ihre Begleiterinnen wurden von einem Saaldiener in ein Nebenzimmer gewiesen, das ebenso wie der große Saal mit Bildtapeten ausgekleidet war. Hier prangten jedoch mediterrane Küstenlandschaften an den Wänden. Hohe Kliffs fielen unvermittelt ins Meer, das palmenumsäumt zu Füßen turbangeschmückter Würdenträger schäumte. Offenbar eine Anleihe aus dem Reich der Osmanen, um auf die Bestimmung des Zimmers aufmerksam zu machen, denn hier wurde Kaffee getrunken und bei gemütlichem Plausch geraucht. Auch wenn sich alle Welt vor den wilden Horden des Sultans fürchtete, schätzte man die Genüsse, die die Türken den Europäern beigebracht hatten.
Mit Rücksicht auf Demoiselle Engelmann verzichteten die Herren darauf, die Damen auf einen Kaffee einzuladen.
Stetten führte Johanna am Ellenbogen in einen achteckigen Salon. Ein Arkadengang schuf die Verbindung hinüber zum Badehaus.
„Schauen Sie nur, hier rankt sogar Wein, zwar nur als künstlerisches Motiv, aber ich bin sicher, der Badewirt führt beste Sorten in seinem Keller“, meinte er.
Fehlt nur noch die Liebe, dachte Johanna, biss sich jedoch auf die Lippen, damit ihr kein unbedachtes Wort entschlüpfe. So freimütig wie Margitta mochte sie nicht darüber plaudern, wie es seit gestern Abend um ihr Herz stand, schon gar nicht in Christians Gegenwart.
Sie gelangten vom Salon in einen rechteckig angelegten Arkadenhof, der die rückwärtige Seite des Gesellschaftshauses einnahm. In der Mitte des Hofes waren Gärtner damit beschäftigt, welk gewordene Stiefmütterchen durch prachtvolle Pelargonien zu ersetzen. Leitern und Malertöpfe waren beredte Zeugen handwerklicher Geschäftigkeit, die neben dem Badebetrieb noch allenthalben anzutreffen war. Zwei kräftige Burschen stellten weiß getünchte Bänke auf, die kaum abgestellt von Badegästen in Besitz genommen wurden. Arkaden und Kolonnaden verlockten zum Spazierengehen.
Schon von jeher mochte Johanna solche Wandelgänge. Die Mischung aus Überdachung und Luftigkeit erinnerten sie an die Rosenlauben im großmütterlichen Garten, an wundervolle Sommertage ihrer Kindheit.
„Ich muss meiner Großmutter von alldem schreiben“, sagte sie unvermittelt und lächelte verlegen, weil ihr nun doch Gedanken über die Zunge gehüpft waren.
„Sie Glückliche. Ich beneide Sie um diese großartige Frau. In vielen Schlafsaalnächten unserer Kadettentage hat mir Franz von Ihrer Großmutter vorgeschwärmt. So habe ich eine eigene Vorstellung gewinnen können und meine sogar, die Dame zu kennen.
Besonders die Wurst- und Kuchenpakete aus Pommern sind bei uns sehr beliebt gewesen.“ Stetten grinste.
Johanna sah ihn überrascht an, sie hatte nicht damit gerechnet, ihr Bruder Franz könne eine so tiefe Empfindung mit ihr teilen. Sie blieb stehen, so dass Stetten gezwungen war ebenfalls innezuhalten. Erstaunt sah er seine Begleiterin an. Ihre Lippen bebten, aber die Worte sprudelten trotzdem hervor: „Beneiden? Ja, man kann mich beneiden um meine liebevolle und gütige Großmutter, aber ich beneide Sie weit mehr um die Jugend, die Sie mit meinem Bruder verbringen durften. Sie kennen ihn gewiss besser als sonst ein Mitglied meiner Familie – mich
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