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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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eingeschlossen.“ In ihren Augen standen Tränen.
    Stetten erschrak über den plötzlichen Stimmungswandel und riss ein Tüchlein hervor, das aus seinem Rockärmel gespitzt hatte. Er reichte es Johanna. Sie griff nach dem Stück Stoff wie nach einem rettenden Halt, wandte sich ab und schnäuzte sich angelegentlich.
    Elvira stürzte herbei. „Johanna, was ist denn?“ Weil sie keine Antwort von ihrem Schützling erhielt, schaute sie Stetten vorwurfsvoll an.
    Der zog unwillkürlich den Kopf ein und erklärte: „Wir sprachen über Johannas Familie.“
    „Ah ...“, Elvira brach ab. Stetten schien hinreichend entlastet, bis ein Verdacht in ihr aufstieg: Sollte Johanna durch eine unbedachte Bemerkung des jungen Mannes erfahren haben, ihr Bruder Johann werde vermisst? Aber woher sollten Stetten und Trebbow von der heiklen Angelegenheit wissen. Ludwigslust war weit weg!
    Der Ort schon, überlegte Elvira, aber was war mit seinen Bewohnern? Ein Großteil des fürstlichen Gefolges weilte ebenso in Doberan wie Friedrich Franz selbst, allesamt Bewohner der Residenz des Landesvaters, einschließlich der v. Plessens. Avancierte die Tragödie der Familie v. Klotz bereits zum Inhalt diverser Salongespräche?
    Elvira behagte eine solche Vorstellung ganz und gar nicht. Was würde Johanna empfinden, wenn man ihr über verschlungene Kanäle zutrüge, was mehr oder weniger Fremde und Unbeteiligte zum beunruhigenden Verschwinden ihres Lieblingsbruders zu munkeln hätten. Mitfühlend schaute Elvira zu ihrem Schützling hinunter. Johanna hatte sich auf einer Bank niedergelassen und gestattete Margitta, sie mit Grimassen aufzuheitern. Elvira riss sich von der Szene los und hing den eigenen Gedanken nach. Sie gelangte zu der Überzeugung, Johanna werde das Schweigen ihres Vaters nicht wohlwollend, sondern als Vertrauensbruch bewerten. Und gleich darauf holte sie die Bestürzung ein, dem Vorwurf ebenso ausgesetzt zu sein.
    Sie verwünschte den Nachmittag im gräflichen Kontor, an dem sie von Wolfgang Zachow ins Vertrauen gezogen worden war. Der Sekretär hatte sie an seinem Wissen teilhaben lassen, wichtigtuerisch hatte er es mit eigenen Vermutungen untersetzt. An jenem Nachmittag hatte sie nach Neuigkeiten lechzend an seinen Lippen gehangen. Jetzt wünschte sie sich nichts lieber, als weggehört zu haben, dann wäre ihr die Zwickmühle erspart geblieben. Doch ihre Unschuld war dahin, jetzt konnte sie nicht mehr zurück und musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Sie fasste Stetten ins Auge, dem sofort die Halsbinde zu eng wurde. „Wollten Sie mir nicht die Reliefs der Nordfassade erklären, Leutnant von Stetten?“
    Von der Aufforderung völlig überrumpelt war Stetten geneigt, Trebbow als den eigentlichen Experten für griechische Mythologie vorzuschieben, doch ihr Gouvernantenblick ließ ihn wie ein Kaninchen vor der Schlange zu einem willfährigen Opfer werden. Er reichte ihr den Arm, um mit ihr davonzuschlendern. Er war sich durchaus bewusst, die übrige Gesellschaft erstaunt zurückzulassen.
    Außerhalb Johannas Hörweite klärte Elvira ihren unfreiwilligen Begleiter auf.
    „Sie entschuldigen bitte, dass ich Sie gewissermaßen entführt habe, aber Sie müssen mich unbedingt unterrichten, worüber Sie mit Johanna gesprochen haben.“
    Der sachliche Ton und ihre Abbitte ließen Stetten aufatmen. Elvira lächelte in sich hinein, als sie seinen Seufzer vernahm.
    „Ich versichere Ihnen, dass mich Johannas Tränen sehr betroffen gemacht haben. Es liegt mir fern, der Komtesse Kummer zu bereiten.“ Er zögerte, ob er der Engelmann gestehen sollte, er habe das Mädchen gern, doch er hielt ein solches Geständnis für verfrüht und bei Johannas Gouvernante nicht gut aufgehoben. Dass es die richtige Entscheidung war, darüber ließ man ihn nicht lange im Zweifel.
    „Davon gehe ich aus, Leutnant von Stetten, sonst würde ich Sie nicht in Johannas Nähe lassen. Doch bevor Sie mir Vorträge über die Tritonen und Nereiden halten, möchte ich gerne wissen, was Sie mit ihr besprochen haben.“
    Stetten folgte verwirrt Elviras Blick hinauf zu den Reliefs über den Fensternischen des Gesellschaftshauses. Dort tummelten sich Fabelwesen, halb Mensch, halb Fisch oder auch halb Pferd, halb Fisch, die eindeutig den Tritonen zuzurechnen waren. Bei den Töchtern des Nereus war er sich jedoch nicht so sicher, ob er ohne Elviras Hilfe Thetis und Amphitrite erkannt hätte.
    „Ja, wie gesagt“, knüpfte er an den eigentlichen Gesprächsstoff an,

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