Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
können!“
Der Graf hörte den Vorwurf und fühlte sich gekränkt, wo sein Verzicht auf jede siebte Gans, die die Leute mästeten, so eine Art Zielprämie für das Silageexperiment sein sollte.
„Wie darf ich das verstehen?“, fragte er deshalb spitz.
„Nun ja, wenn wir von der Sache gewusst hätten, würden nicht nur 13 Gänse pro Haushalt schnattern, sondern vielleicht noch ein zwei mehr.“ Sie zwinkerte dem Grafen vertraulich zu. Die Aufklärung der Geschichte ging im allgemeinen Gelächter unter, dem sich auch der Graf anschloss.
Nach dem Mittagessen saßen Gutsherr und Verwalter bei dem vorhin verschmähten Cognac beieinander. Der Graf war noch eingenommen von der Herzlichkeit und Freude der Mägde. Da er meinte, er müsse sich für seine anfängliche Ablehnung rechtfertigen, rang er um passende Worte.
„Sie müssen nicht glauben, ich hätte es der Frau oder dem Bannow missgönnt, zu heiraten und miteinander glücklich zu sein. Sie wissen es genauso gut wie ich: Mit Hochzeiten stellen sich meistenteils Probleme ein.“
Stein wusste es in der Tat, nickte nur, doch dann schaute er auf. „Es hat sich etwas ergeben und es wäre gewiss gescheiter gewesen – und zwar bevor ich Adolfs Kinderschrift über den Tisch geschoben habe – Euer Gnaden zu informieren“, sagte er entschuldigend.
„Kinderschrift ist gut! Nun sagen Sie mir bloß, Stein, woher kenne ich diese Handschrift.“
„Von den Boxenschiefertafeln im Pferdestall, Herr Graf. Adolf hat Ehrgeiz bewiesen, noch als Erwachsener schreiben und lesen zu lernen. Bannow ist doch Großknecht geworden, nachdem der alte Kuliecke gestorben ist. Im Winter ist Adolf jeden Tag zum Pastor gelaufen und hat jeweils eine Stunde Unterricht erhalten. Dafür hat er dem Pastor Feuerholz geschlagen und klein gemacht. Heutzutage lernen die Kinder bei Küster Pietschenried, Sie wissen, das ist noch nicht lange so.“
„Ja, ja, erinnern Sie mich nicht immer an die Errungenschaften der neuen Zeit. Man muss halt alles von zwei Seiten betrachten.“
„Wie die Heiratsgeschichte?“
„Ja. Also spannen Sie mich nicht länger auf die Folter. Was hätten Sie mir vorher sagen sollen?“
„Heute Nacht hat der Herr die alte Magda zu sich geholt, Euer Gnaden wissen, die Frau vom krummen Erich ...“
Der Graf nickte und war für einen Moment stärker betroffen, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Er dachte nicht an die Kosten für Sarg und Grabrede, sondern an die alte Frau, mit der er in Kindertagen gemeinsam vor dem Herrenhaus gespielt hatte. Magda war im selben Jahr wie er auf die Welt gekommen. Ihr hartes entbehrungsreiches Arbeitsleben hatte sie schnell altern lassen. Auch Erich, ein weiterer Spielkamerad aus jener fernen Kinderzeit, war dem Grafen gut bekannt. Krumm von Arbeit und Krankheit blieb er auf Hilfe angewiesen zurück, war nun verlassen worden von seiner bis zuletzt tätigen Frau. Was wird nun aus Erich?
Erst als Stein antwortete, bemerkte der Graf, seinen letzten Gedanken ausgesprochen zu haben.
„Er zieht rüber zu einer seiner Töchter. Die ist mit einem Büdner auf Borowskys Land verheiratet, haben dort eine kleine Wirtschaft. Dort kann Erich ebenso gut Bienenkörbe flechten wie hier.“
„Dann wäre also eine Wohnung für das zukünftige Paar frei. Haben Sie mir deshalb von dem Todesfall erzählt?“
„Ja, Herr Graf, der Allmächtige fügt alles in eine gewisse Ordnung, denn die andere Sache hätten Euer Gnaden nicht gefallen.“ Stein biss sich auf die Zunge. Der Graf schaute ihn fragend an und Stein ärgerte sich bereits, Eleonores Vorschlag erwähnt zu haben. Nun blieb ihm nichts weiter übrig, als davon zu erzählen.
„Eleonore Hagen hat sich angeboten, mit ihrer Tochter in Elsis Mädchenstube zu ziehen.“ Er schaute nach oben, damit der Graf wisse, welche Stube er meinte. „Elsis Kammer ist recht groß für eine Person. Aber mir gefiel das nicht – für Marie“, setzte er hinzu. „Dem Mädchen würde der Wegzug aus seiner gewohnten Umgebung nicht gut bekommen. Obwohl ich auch Eleonores Beweggründe verstehe. Nachdem abzusehen ist, dass ihre Gastrolle in der Küche eher eine Sache von Dauer wird, hat sie sich anscheinend überlegt, ihre Tochter immer bei sich haben zu können. Aber Marie ist bei den Warkentins viel besser aufgehoben. Dort kann die junge Frau ihr Orgel- und Klavierspiel vervollkommnen.“
„Die stumme Marie spielt Orgel? Warum weiß ich nichts davon?“
„Ich schätze, Euer Gnaden haben nie danach
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