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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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werden sie alle aufmüpfig. Ich kenne das! Mein Sohn aus erster Ehe hat sich über ein Jahr nicht bei der Familie gemeldet. Ich habe schon überall Nachforschungen anstellen lassen, bis eines Tages ein Brief aus Indien – stellen Sie sich das mal vor – aus Indien!“, betonte Borowsky, „ins Haus geflattert kam. Lieber Papa, es geht mir gut und so weiter und so weiter. Glauben Sie mir, gleich nach meiner kolossalen Erleichterung kam mir die Wut. Die jungen Leute heutzutage handeln einfach verantwortungslos. Aber das werden sie wohl erst begreifen, wenn sie selbst Kinder haben. Und ich gönnte es meinem Sohn, wenn mich mein Enkel für meine Ängste einmal rächen sollte.“
    Der Graf fühlte sich getröstet. Er spürte auch eine gewisse Erleichterung, die gefährliche Klippe umschifft und dabei noch jemanden gefunden zu haben, der am eigenen Leibe erfahren hatte, was er gerade durchmachte. Die Sehnsucht nach seinen Kindern steigerte sich ins Unerträgliche, auch weil er meinte, der Empfindung nicht nachgeben zu dürfen oder zu können. Als er erwog, dem Gefühl und nicht seinen geschäftlichen Notwendigkeiten zu folgen, bemerkte er, Borowsky habe eine Frage gestellt.
    „... Was halten Sie davon, Graf?“
    Das verwirrte Gesicht des Grafen sprach Bände.
    „Sie sind überhaupt nicht bei der Sache, mein Bester“, rügte Borowsky. Er nippte kurz an dem köstlich duftenden Inhalt seines Schwenkers, den der lautlose Leibdiener herbeigeschafft hatte.
    „Sie benötigen dringend der Abwechslung und vor allen Dingen der Anregung, deshalb habe ich auch vorgeschlagen – während Sie es nicht einmal für nötig gehalten haben, meinem Vorbringen Folge zu leisten – Sie zu einem Ausflug nach Doberan einzuladen. Ich bin der Meinung, wir beiden alten Knacker geben ein gutes Gespann ab, könnten uns auch ein paar Ausflüge an den grünen Tisch erlauben, der in diesem kleinen Lande nur noch in Doberan aufgestellt werden darf. Na, was sagen Sie dazu. Ein Nein gilt nicht, das müssten Sie mir mit einer ganz ausgefallenen Begründung plausibel machen.“
    Der Graf betrachtete seinen Gast nachdenklich unter einer Mischung aus Erstaunen und Erschauern. Konnte der Mann dort drüben im Plüschsessel etwa Gedanken lesen? Nein, gewiss nicht! Borowsky wusste nichts von Johannas Aufenthalt in Doberan. Johanns Verschwinden hatte er nicht dramatisiert, im Gegenteil, der Nachbar hatte die Angelegenheit als ein vorübergehendes Übel angesehen. Der Graf merkte, dass er sich in Borowskys Gesellschaft wohlfühlte. Dennoch machte er Einwände geltend: „Ich bin versucht, der Verlockung Ihres Angebotes zu erliegen, aber ich bin auf eine Reise nicht eingestellt, bin völlig unvorbereitet ...“
    „Papperlapapp“, wiegelte Borowsky volltönend ab. „Ich habe Sie durchschaut, mein Lieber! Sie geniert es nur, sich der Entspannung hinzugeben. Nun gut, ich möchte hilfreich sein und gestehe, dass mich auch Geschäfte nach Doberan treiben, die recht bald auch die Ihrigen sein werden. Ich habe drei Tage für unseren Aufenthalt geplant, wollte nur das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.“
    „Ich bin erstaunt, wie gut Sie mich kennen, Sie haben mich überzeugt. Wann soll es losgehen?“
    Borowsky zwinkerte dem Leibdiener zu, der in gewohnter Manier einem Gespenste gleich erschienen war, und bekannte freimütig: „Ich werde Sie sofort entführen.“
    Das war das Stichwort für den Leibdiener: „Es ist gepackt, Euer Gnaden.“
    „Aber das geht nun wirklich nicht“, entrüstete sich der Graf über die merkwürdige Verschwörung. „Ich habe nun mal Verpflichtungen. Heute Abend beispielsweise will ich mit meinen Leuten eine kleine Zusammenkunft abhalten und die gelungene Brandbekämpfung begießen. Und was sind das überhaupt für Geschichten, von denen mein Diener eher erfährt als ich.“
    „Ich bitte um Vergebung, Herr Graf.“ Borowsky faltete seine Hände theatralisch. „Ihr Diener ist völlig unschuldig. Ich war so vermessen, ihm einzureden, wir beide würden in der nächsten Stunde aufbrechen.“
    Der Diener befand die Gelegenheit offensichtlich für günstig, sich schleunigst zurückzuziehen.
    Borowskys Stimme nahm immer noch den Salon ein: „Und glauben Sie bitte nicht, Ihre Leute amüsierten sich weniger gut, wenn Sie nicht dabei sind. Sie haben gewiss nicht vorgehabt, das Fässchen Hochprozentigen persönlich aus dem Keller zu holen. Elsis Vorrat an Obergärigem wird auch ausreichen, so dass Sie sich über das Gelingen der

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