Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Satz: „ ... damit wir ausschließen können, dass er etwas mit dem Kopflosen zu tun hat.“ Und mit meinem Bruder, fügte er im Stillen hinzu, und fühlte, auch Ernst könne das Unausgesprochene hören. Damit das Gespräch nicht ins Stocken gerate, lenkte er ein auf besagte Fakten.
„Frieder ist gestorben! Ich werde am Montag zur Beerdigung gehen. Ich hoffe, ein paar der Trauergäste sind mit Johann bekannt und können mir bei meiner Suche behilflich sein.“
„Hans-Georg werden die auch kennen“, ergänzte Ernst bitter, dem einmal mehr Unausgesprochenes in den Ohren klang.
„Bereust du jetzt, mir deine Freundschaft angeboten zu haben?“
Ernst zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Franz’ Frage hatte ihn tief erschüttert. Er senkte beschämt den Kopf und raufte sich mit beiden Händen die Haare, bis sie wirr und in alle Richtungen vom Kopf abstanden.
Hätte sich Franz’ Herz nicht gerade zusammengekrampft, weil er ein „Ja“ des Freundes befürchtete, hätte er über die ramponierte Frisur herzlich gelacht.
„O Gott, Franz!“ Ernst sprang auf, schaute gequält umher, machte ein paar unbeholfene Schritte, dabei knetete er unaufhörlich seine Finger. „Versteh mich bitte nicht falsch. Ich muss erst mit der scheußlichen Situation fertigwerden. Natürlich bereue ich nicht, dich und die Umstände deines Aufenthaltes in der Stadt zu kennen, obwohl ich mir sicher bin, die nächsten Nächte ohne Schlaf auskommen zu müssen.“ Er blieb vor Franz stehen und suchte seinen Blick. „Aber was nützte es, unsere Freundschaft in Frage zu stellen. An den Tatsachen änderte es nichts. Wenn Hans-Georg etwas auf dem Kerbholz hat, was schlimm genug wäre, dann ist das so, ob wir uns nun kennen oder nicht. Allerdings wäre es aus meiner Sicht weit ärger, wenn er etwas mit Johanns Verschwinden zu tun hätte. Wolltest du dann mit mir und meiner Familie noch etwas zu tun haben?“
Die Frage hatte sich für Franz bisher nicht gestellt. Er öffnete den Mund, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Er brachte nur ein unartikuliertes Krächzen zustande.
„Bei dem Gedanken bleibt dir sogar die Stimme weg. Es ist alles so ... so ... ungeheuerlich, geradezu unwirklich. Ich, ich fasse es einfach nicht!“ Ernst sank auf seinem Sessel zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. Er atmete schwer.
Franz stand besorgt auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er hatte befürchtet, heute Abend einen Freund zu verlieren. Dass Ernst seine Befürchtungen teilte, rührte und erleichterte ihn zugleich.
„Ja!“, sagte Franz laut.
Ernst schaute zweifelnd in die Höhe, er brachte Franz’ Erwiderung nicht mit seiner Frage in Verbindung.
„Ja“, wiederholte Franz fest, „ich will mit dir und deiner Familie zu tun haben. Keiner von uns beiden ist schuld an der Situation. Ich kann dir unmöglich vorwerfen, Charlotte geheiratet zu haben. Ebenso wenig trägt Charlotte, ihr Vater oder ihr Onkel eine Schuld, die wir noch nicht einmal Hans-Georg nachweisen können.“ Franz machte eine Pause. Er wusste, wie Ernst sich fühlte. Seit gestern versuchte er erfolglos, den Verdacht zu verdrängen, Johann könnte in das Verbrechen verstrickt sein. Manikürte Fingernägel an großen Händen tauchten aus seiner Erinnerung auf. Große Hände, die zu einem elegant gekleideten großen Mann passen mochten, in dessen Begleitung Johann gesehen worden war. Er rang einen Augenblick mit sich, ob er Ernst in die eigenen Zweifel an Johanns Rechtschaffenheit einweihen sollte. Es wäre nur fair, überlegte er, doch er wollte noch eine Frage beantwortet wissen.
„Willst du die Sache auf sich beruhen lassen und abwarten, was die Polizei herausfindet?“
Ernst verlor den verzweifelten Ausdruck und starrte mit leerem Blick in das spärlich erleuchtete Zimmer. Weil Franz immer noch hinter ihm stand, konzentrierte er sich auf die ruhig brennenden Flammen des Tischleuchters.
„Ich muss zugeben, mit dem Gedanken gespielt zu haben. Aber was nutzt es, mit dem Unvermögen der Behörden zu rechnen. Vor Gott und vor dem eigenen Gewissen kann ich mir mein Leben nicht mehr bequem einrichten und so tun, als ob mich Hans-Georg, dein Bruder Johann und unser kopfloser Freund nichts angingen. Ich werde nicht eher Ruhe haben und Ruhe geben, bis wir hieb- und stichfeste Beweise haben!“
„Ich bin froh, so etwas von dir zu hören, Ernst.“ Franz tat einen tiefen Atemzug. „Ich benötige dringend deine Hilfe und deine Meinung!“
„Du hast etwas
Weitere Kostenlose Bücher