Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Konsequenz des Gesetzes spüren zu lassen, zu meinen Ungunsten ausgelegt werden. Ich fordere Sie deshalb zu einer angemessenen Entschädigung auf. Meine baldige Abberufung vor Augen erwarte ich in Kürze Ihr Angebot.
P.S.: Benutzen Sie die Gruft des Leonardo.
Nachricht II.
Ich freue mich, mich Ihnen verständlich gemacht zu haben und Ihnen mitteilen zu können, das Angebot anzunehmen. Übergabe wie von Ihnen vorgeschlagen.
P.S.: Bin in Begleitung, also keine Überraschungen einplanen“
Franz glitt der Bogen aus den Fingern. Er stützte den Kopf auf seine Hände und starrte auf die Worte.
Ernst versuchte sich nun doch an einem Kommentar: „Ich kann mich natürlich in der einen oder anderen Deutung der Wendungen irren, aber ich empfinde den älteren Brief als klare Erpressung und der zweite ergibt zusammen mit dem ersten auch einen Sinn.“
„Da liegst du völlig richtig. Hinter den höflichen Formulierungen stecken schlecht verhehlte Drohungen. Der Verfasser muss etwas wissen, womit er Johann unter Druck setzen kann. Zudem ist er gebildet und hat Angst um die eigene Stellung. Ein Beamter vielleicht.“
„Möglich, aber was könnte das Druckmittel sein. Mit der Leiche dürfte es nichts zu tun haben. Johann ist lange ... fort gewesen, als sie gefunden worden ist.“
„Wo ist der Kirchhof von St. Johannis eigentlich, wo unser Freund den Kopf verloren hat? Gibt es dort auch die Gruft des Leonardo?“
„Gruft des Leonardo! Keine Ahnung! Leonardo da Vinci fällt mir bei dem Namen ein. Der alte Herr hat die Schwelle von Mittelalter zur Neuzeit noch erlebt, war aber seiner eigentlichen Zeit weit voraus. Ein Wissenschaftler und Künstler, überhaupt ein Genie. Ich denke nur an die Mona Lisa und ihr unnachahmliches Lächeln. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass er jemals in Rostock geweilt hat, geschweige denn hier begraben liegt.
Vielleicht ist das auch nur eine Metapher oder eine Verschlüsselung. Doch Johann wusste etwas damit anzufangen. Der Erpresser erhielt ja sein Angebot.
Nebenbei gesagt, ist besagter Friedhof hier in der Nähe. Am Ende der Straße Richtung Süden beginnt das ehemalige Klostergelände, hinter der Mauer zur Steinstraße liegen die Gräber. Wir sollten jedoch lieber am Tage dort Ausschau halten“, fügte Ernst hinzu, als er sah, dass Franz interessiert aufhorchte.
„Wenn Leonardo so ein Universalgenie gewesen ist, befindet sich vielleicht in Rostock die Gruft eines stadtbekannten Wissenschaftlers, der vom Volksmund zu seinem Namensvetter gemacht worden ist.“
„Das ist gut möglich. Jedenfalls sollten wir am Montag auf keinen Fall vergessen, Frieders Kommilitonen nach der Gruft zu fragen.“
„Du begleitest mich?“, fragte Franz freudig überrascht.
„Selbstverständlich, schon um nach Hans-Georg Ausschau zu halten.“
„Apropos Hans-Georg. So wie sich die Dinge entwickeln, muss ich davon ausgehen, dass Johann sich irgendetwas zuschulden kommen lassen hat. Ich denke da an ein Verhältnis, ergo: ‚ Unbotmäßigkeit Ihres Betragens‘ . Vielleicht ist die Frau verheiratet. Was mir aber weit mehr Sorge bereitet: Johann und das Opfer kannten sich!“
„Ja und? Wenn ich einen Toten kenne, muss ich doch noch lange nichts mit seinem Ableben zu tun haben! Haarsträubender Gedanke für einen Arzt! Wie kommst du überhaupt darauf?“
„Habe ich dir eigentlich von dem Geld erzählt?“
„Geld? Nein! Doch, warte mal, sagtest du nicht, dein Bruder habe ein Depot bei einem Kaufmann?“
„Ja, er forderte es an einem Tag ab, den er ansonsten nicht für seine Geldgeschäfte nutzte. Kaum war er mit dem vielen Geld in seiner Tasche auf der Straße, traf er sich mit einem großen eleganten Mann. Oder der Mann traf ihn, wie man es nimmt.“
„Woher weißt du das?“
Franz schaute Ernst gequält an. Er durfte die Frage nicht beantworten. Ernst begriff sofort.
„Schon gut, schon gut“, beschwichtigte er, „ich ziehe die Frage zurück. Aber du willst doch nicht ernsthaft glauben machen, aufgrund der Schilderung könne nur der große elegante Fremde das Opfer sein.“
Franz zog resigniert die Schultern hoch und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Überleg doch mal!“, forderte er. „Selbst du bezeichnest ihn als Fremden! Derjenige, der meinen Bruder mit ihm zusammen gesehen hat, der kennt zumindest Johann, der des Öfteren in der Straße verkehrt hat. Aber dem Zeugen ist Johanns Bekannter fremd gewesen. Niemand vermisst einen großen, eleganten, jungen
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