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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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allerdings nicht so genau“, bekannte sie, „aber es muss mit dem Butterkrieg zu tun gehabt haben. Die Tanner hat zusammen mit den anderen Verurteilten auf dem Platz gestanden. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Man hat ihnen kreidebekritzelte Tafeln umgehängt, auf denen sehr umständliche Beschreibungen ihrer Verfehlungen gestanden haben. Die hohen Herren und Rechtsgelehrten reden immer so geschraubt daher oder würden Sie einen Randalierer ‚mutwilliger tumultisierender Zerstörer fremder Sachen‘ nennen?“
    „Nein!“, versetzte Franz grinsend und fragte beiläufig: „Hat der Rat nicht Amnestie erteilt?“
    Zu spät erkannte er, die Wirtin um einen guten Teil ihrer Geschichte gebracht zu haben. Er bedauerte das im Stillen, weil es interessant gewesen wäre, sich die Entwicklung der Dinge von ihr schildern zu lassen, aus dem Blickwinkel einer einfachen Frau. Mudder Schultzen gehörte bestimmt nicht zu dem Teil Rostocker Bürger, der drastische Preiserhöhungen für Lebensmittel kompensieren konnte.
    „Ich kenne leider nur den ersten Teil des Dramas, der Vorhang für den Schlussakt wurde noch nicht hochgezogen.“
    „Oh! Na ja, damals war der Napoleon ja noch nicht in aller Munde, vielleicht wurde die Sache deshalb bekannt ...“ Sie stockte und betrachtete Franz abschätzend. „Na, zu der Zeit muss Ihnen die Mutter noch den Rotz von der Nase gewischt haben, was? Wer hat Ihnen davon erzählt?“
    Franz feixte, dann plauderte er bereitwillig von der Abendgesellschaft. Er vermied es jedoch, die scharfzüngig geführte Auseinandersetzung zwischen Josephi und Scholtz zu erwähnen. Es war gewiss, dafür würden andere Sorge tragen. Bis die ausgeschmückte Geschichte in der Eselföter ankäme, bliebe noch etwas Zeit. Jedenfalls wollte er nicht zur Verbreitung unliebsamer Neuigkeiten beitragen, die sich im Hause seines Freundes ereignet hatten.
    Mutter Schultzen würdigte seine Bemühungen, sie einzuweihen. Sie lauschte begierig, wer im Hause Ahrens zu Abend geladen gewesen sei, und mit welchen Themen die Honorigen der Stadt sich zu unterhalten wussten.
    Ihr eigenes Resümee fiel allerdings beunruhigend aus.
    „Ha, sollte mich nicht wundern, wenn die Herren aneinandergeraten sind“, orakelte sie. „Der Scholtz ist doch verbandelt, wenn nicht sogar verwandt mit mindestens einem der Herren aus der Kommission, die damals die Urteile gefällt hat.“
    „Welche Urteile?“, fragte Franz schnell.
    „Ja, da gab es reichlich Abwechslung auf dem Marktplatz“, begann sie. Ein Seufzer entrang sich ihrer Brust. „So schauerlich das klingen mag, aber bei öffentlichen Auspeitschungen hat sich der Büttel noch nie über mangelndes Interesse seines Publikums beklagen müssen. Aber anlässlich der Vollstreckungen wegen der Plünderungen war noch etwas anderes unter der Menge im Gange.“
    Sie machte eine hilflose Geste und suchte offenbar nach Worten. „Bei den meisten hat sich nicht die übliche Häme einstellen wollen. Gewöhnlich will die Menge den Verurteilten winseln hören, ist erst zufrieden, wenn Blut strömt. Aber an jenem Tag überwog das Gefühl, froh darüber zu sein, nicht selbst dort oben zu stehen!“ Mudder Schultzen schwieg einen Moment, sie spielte etwas unschlüssig mit ihren Haubenbändern.
    Franz wartete und erwog schaudernd, ob sie damals auch Hunger gelitten habe. Wusste sie etwa, welche Umstände diese Menschen zu „Verbrechern“ gemacht hatten?
    „Mein Seliger hat mich gewarnt. Er ist bereits siech gewesen und nicht mehr vom Krankenlager hochgekommen, aber sein Geist war noch helle, er war immer helle, hat gut für mich gesorgt, mein Seliger“, sagte sie, und ihre Augen wurden glasig, als die Erinnerungen an die gute alte Zeit aufstiegen. „Das nähme kein gutes Ende, hat er gemeint, als ich ihm erzählt habe, was draußen los sei. Der Tumult war überall in der Stadt und ich habe auch ein paar Pfund Butter und einige Scheffel Korn zu günstigen Preisen erstanden.“ Sie schluckte und schaute Franz prüfend an, als erwarte sie, er rümpfe die Nase oder mache abfällige Bemerkungen.
    „Für das tägliche Brot aufzukommen, muss hart gewesen sein“, stellte er nüchtern fest.
    Die Alte nickte, war dankbar für sein Verständnis. „Ja, hart. Aber ärger als das waren die Denunziationen und Verfolgungen, die nach den Tumulten einsetzen sollten. Überall schnüffelten Milizionäre und fürstliche Soldaten herum. Am schlimmsten führten sich die Studenten auf, hatten sich mit

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