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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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an etwas Hartem stieß.
    „Warum habe ich den Leuchter nicht mitgenommen“, stöhnte er und rieb sich den empfindlichen Knochen. „Aber, was deine Frage betrifft, selbstverständlich schaue ich mir die anderen Sachen an. Amalie wird Charlotte beschäftigen, dann habe ich Zeit. Wann und wo soll die Bestattung vor sich gehen?“
    „Zur zehnten Stunde auf dem Kirchhof von St. Nikolai. Ich mache mit dem Droschkenlenker alles klar und hole dich eine halbe Stunde vorher ab. Wo soll er vorfahren? Hier oder an deiner Praxis?“
    Ernst überlegte, doch sein Entschluss stand sehr schnell fest: „Hol mich in der Pädagogien-Straße ab. Am besten du stürmst herein und meldest einen dringenden Notfall. Dann kommen sich meine anderen Patienten nicht benachteiligt vor.“
    Franz grinste nicht nur über Ernsts Idee, sondern auch über die Anspielung. Doch Ernst hatte im Grunde recht, wenn er davon ausging, auch Franz sei einer seiner vielen Patienten.
     

Sœben Klocken, so dar daglicken slan ...
     
    Franz war irritiert, konnte sich jedoch noch nicht erklären, weshalb.
    Er saß auf einem Pferd, was beileibe nicht ungewöhnlich war, also warum sollte er sich darüber wundern, sich auf einem Pferderücken anzutreffen.
    Und dennoch! Die Situation war unwirklich. Lag es vielleicht daran, nichts zu sehen, außer einer milchig trüben Masse zu seinen Füßen? Nebel, sagte ihm sein Verstand, es müsse Nebel sein. Doch warum stieg er nicht auf, wie es Nebel für gewöhnlich tat?
    Es schien ihm, als vergrößere sich sein Abstand zum Erdboden unnatürlich und er meinte, zu spüren, in der undurchsichtigen Wolke gehe etwas Bedrohliches vor sich. Franz konnte noch immer nichts sehen, aber er hörte die eindringliche und ständig wiederkehrende Kadenz der Trommeln und die aufreizend fröhlichen Akkorde der Pfeifen, die dem Feind und den eigenen Reihen suggerieren sollten: Seht her, wir haben keine Angst! Wir ziehen mit einem lustigen Lied auf den Lippen in den Krieg! Dann tauchten sie aus dem Nebel auf. Junge Gesichter. Konzentriert und ernst, keinesfalls fröhlich, wie das intonierte Lied glauben machen sollte. Junge Gesichter. Zu jung für kratzige Bärte, allenfalls zeigte sich hier und da ein weicher Flaum über einer Oberlippe. Junge Gesichter unter hohen schwarzen Tschakos mit eng anliegenden Kinnbändern. Junge Körper steckten in schwarzen Stiefeln, weißen Hosen, blauen Soldatenröcken mit langen Schößen, deren Aufschläge rot leuchteten.
    Franzosen! Es sind Franzosen, stellte Franz bestürzt fest. Er suchte nach seinem Säbel, fand ihn jedoch nicht. Der Schweiß brach ihm aus, rann ihm über die Stirn in die Augen. Schweiß ist salzig, dachte er, gleich wird er mir in den Augen brennen. Doch er büßte nur etwas von seiner Sehkraft ein. Er spürte keinen Schmerz.
    Ein Trommler streifte Franz’ Stiefel. Er hatte die Berührung deutlich gesehen, jedoch nicht gespürt.
    Der Trommler muss mich doch sehen, schoss es ihm durch den Kopf. Und wo sind meine Jungs? Ich muss sie vor den Franzosen warnen!
    Seine Jungs, wie er die Truppe nannte, die er befehligte, waren doch fast so jung wie die Flötisten und Trommler, die nun schon in der dritten Reihe an ihm vorüberzogen. Gestern, ja gestern Abend hatte er sie mit doppelter Ration und Branntwein versorgt. Branntwein gegen die Angst. Seine Jungs hatten am Feuer beieinandergesessen und zotige Witze erzählt. Sie hatten über Dinge gelacht, von denen sie nur wenig oder gar nichts wussten. Nur zugeben mochte es niemand. So wurde gewitzelt und angegeben und sich Mut angetrunken für den bedeutungsvollen Tag.
    War jetzt der Tag angebrochen, auf den sie sich gestern oder wann auch immer vorbereitet hatten? An dem er seine Jungs gegen den Feind in den Kampf führen wollte. Und nun war er nicht bei ihnen, konnte nicht avancieren, nicht den blanken Säbel zücken und sie mit anfeuernden Rufen mitreißen.
    Da! Jetzt fiel einer der Trommler! Er blieb mit merkwürdig verrenkten Gliedern auf dem Boden liegen, die Augen starr in den Himmel gerichtet. Er hatte keine Waffe auf den Feind gerichtet. Seine Waffe war sein Instrument gewesen. Nach dem Rhythmus der sonoren Töne richtete sich der Tritt der Soldaten, die nun nachrückten und mit aufgepflanzten Bajonetten über den Gefallenen hinwegstiegen.
    Franz saß reglos auf seinem Pferd. Er konnte sich nicht bewegen, selbst wenn er gewollt hätte. Die Linien der Franzosen teilten sich vor ihm, wechselten zum Karree und fächerten sich hinter ihm ganz

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