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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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eindeutig mitbekommen, ob es sich immer noch um den älteren oder schon um den jüngeren handelte, doch die Botschaft war klar, die der Geistliche von seinem erhöhten Platze donnerte: „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen, wisst ihr denn nicht, dass der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein!“
    Das Schnarchen hinter Franz verstummte abrupt, wahrscheinlich hatte die Ehefrau des selig Schlummernden gemeint, ihr Angetrauter solle die Passage der Predigt unbedingt mitbekommen.
    Der Pastor war aber schon dabei, Jakobus’ Vermächtnis der eigenen Interpretation zu unterziehen. Mit flammenden Blicken unterstrich er seine Worte, seine Hände verkrampften sich an der Brüstung und hin und wieder erhob er beschwörend den Zeigefinger, unterließ es jedoch, auf jemanden in der urplötzlich aufmerksam lauschenden Gemeinde zu deuten. Die, die sich angesprochen fühlten, gingen sehr unterschiedlich mit den Vorwürfen um, die so plastisch wie die Schiffsmodelle in der Kirche schwebten. Franz konnte sich auch täuschen, wenn er hochgezogene Schultern oder hängende Köpfe als Schuldeingeständnisse hernahm. Aber es gab auch völlig unbeteiligt wirkende Gemeindeglieder, die sich nur durch beredte Seitenblicke auf ihre bessere Hälfte verrieten.
    Längst hatte Franz es aufgegeben, der Predigt zu folgen. Das Studium der Gläubigen war viel interessanter. Ihm fiel eine junge Dame auf, die nicht wagte zur Kanzel aufzublicken. Sie konzentrierte sich darauf, einen Fingernagel nach dem anderen abzuknabbern. Der distinguierte Herr neben ihr mochte ihr Vater, vielleicht aber auch der Ehemann sein, wer wusste das schon so genau. Die Ehefrauen starben häufig im Kindbett. Warum sollte sie nicht die zweite oder gar dritte Gattin sein, die auf wundersame Weise einmal mehr in jugendlicher Schönheit erblühte, während der Gatte nicht mehr taufrisch wirkte.
    Die junge Dame fesselte ihn plötzlich. War sie eine Professorengattin? Hatte sie sich in einen der Studenten ihres alternden Mannes vergafft? Zumal in den Häusern der Akademiker Privatseminare keine Seltenheit waren. Hatte Johann so seine geheimnisvolle Geliebte kennengelernt?
    Wenn dem so war, könnte ein Kommilitone die Angelegenheit mitbekommen und seine Schlüsse gezogen haben. Aber wie war dann die Sache mit der Abberufung zu verstehen? Vielleicht handelte es sich bei dem Erpresser nicht um einen Studenten, sondern um einen Angestellten der Universität oder des gehörnten Professors.
    Klar, ich wäre auch nicht amüsiert, wenn mein Bediensteter aus den Eskapaden meiner Frau auch noch Kapital schlüge, dachte Franz grimmig.
    Franz wurde durch einen Ellenbogenknuff aus seinen Überlegungen gerissen. Der Pastor war inzwischen an das Ende seiner ausufernden Predigt gelangt, der Kantor übernahm das Ruder. Der Mann hatte seinen Chor gut ausgebildet und es war seiner Miene anzusehen, dass er nicht mit seiner Berufung haderte.
    Mudder Schultzen hatte ihr Gesangbuch auf dem Pult des Gestühls in Franz’ Richtung geschoben. Sie erwartete offensichtlich, er beteilige sich. Er war kein regelmäßiger Kirchgänger, aber den angestimmten Vers kannte er noch aus seiner Konfirmandenzeit. Er fiel mit seiner klaren Tenorstimme ein und erntete prompt einen bewundernden Blick der jungen Dame, über deren Tugendhaftigkeit er vor kurzem spekuliert hatte. Er legte sich mächtig ins Zeug. Auch erwiderte er ihren Blick, dann nahm er sich ein wenig zurück, damit der ältere Begleiter seiner Bewunderin durch seinen inbrünstigen Gesang nicht auf ihn aufmerksam werde.
    Die junge Frau schaute hastig in eine andere Richtung, nachdem sie gewahr wurde, ihr Blick sei nicht unbemerkt geblieben. Gottlob hatte der Herr Gatte, oder wer er auch immer sein mochte, nichts mitbekommen. Der Mann schien mit sich selbst befasst zu sein, jedenfalls machte er einen mitgenommenen Eindruck. Und Franz grübelte, woher er den Mann kannte.
    Die Gemeinde wurde nach Ermahnungen, sich nicht neuerlich zu versündigen, in die kommende Woche entlassen. Der Auszug der Geläuterten begann. Franz hielt Ausschau nach der Dame, die tatsächlich von dem Ehrenmann an ihrer Seite etwas steif aus der Kirche geführt wurde. Die beiden wurden von einem anderen Paar angesprochen und blieben stehen. Franz benutzte die Gelegenheit, seine Wirtin auszufragen.
    „Kennen Sie die junge Dame dort vorn, die in dem elfenbeinfarbenen Kleid?“
    „Elfenbeinfarbenes Kleid? Wo denn?“, fragte

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