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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Wirtin um. Seiner ersten Enttäuschung hatte Resignation Platz gemacht. Wie hatte er sich nur einbilden können, alles ließe sich mit Hilfe eines unglaublichen Zufalls aufklären.
    Indessen nahm Mudder Schultzen die Verfolgung auf. Außer Atem holte sie ihn an der nächsten Straßenecke ein und baute sich vor ihm auf. Franz war gezwungen stehen zu bleiben, wollte er sie nicht umrennen. Offenbar hatte sie ganz eigene Schlüsse gezogen und nahm, wie es ihre Art war, kein Blatt vor den Mund.
    „Was ist los mit Ihnen?“, stellte sie Franz zur Rede. „Wollen Sie Ihrem Bruder am Zeuge flicken? Sind Sie vielleicht scharf auf seine Erbschaft und wollen ihn vor Ihrem Vater unmöglich machen“, fragte sie entrüstet. „So kann man sich in einem Menschen täuschen! Ich konnte Sie wirklich gut leiden, aber so etwas hätte ich nicht von Ihnen erwartet!“
    „Was wissen Sie denn schon!“, wiegelte Franz unwirsch ab, obgleich ihn die Verdächtigungen schockiert hatten. Er wollte kehrtmachen und in irgendeine Wirtschaft einkehren, sich mit Branntwein die Sinne vernebeln, damit er endlich Ruhe vor den Spukgeistern seiner eigenen Gedanken finden konnte.
    Vielleicht war beim Kneipenklatsch sogar noch irgendetwas in Erfahrung zu bringen. Die geköpfte Leiche müsste doch jede Menge Gesprächsstoff liefern.
    Nein, beschloss er im Stillen, ich werde mich bis zur Besinnungslosigkeit volllaufen lassen, dann sind mir der Kopflose und seine Mörder auch egal.
    Doch die Wirtin wollte sich mit seiner Abfuhr nicht zufriedengeben.
    „O nein, hiergeblieben“, versetzte sie und hakte kurzerhand ihre Schirmkrücke in seine Armbeuge. „So einfach kommen Sie mir nicht davon. Wenn Sie jetzt wegrennen, sind wir geschiedene Leute. Dann können Sie sich gleich morgen eine andere Bleibe suchen.“
    Sie starrte ihn verkniffen an. Offenbar rechnete sie damit, er stecke in finanziellen Nöten, die Herbergssuche stelle ihn vor eine Herausforderung.
    Wirte ließen sich gern die Zimmer im Voraus bezahlen, damit sie nicht in Verlegenheit gerieten, Zechprellern aufzusitzen.
    Franz starrte ungerührt zurück, entschied sich dann aber doch, den Vorwurf auszuräumen.
    „Johann ist verschwunden. Ich bin in Rostock, um eine Spur von ihm zu finden. So einfach ist das manchmal!“ Er hatte nur noch einen missbilligenden Blick für seine Wirtin übrig, bevor er sich endgültig abwandte. Die Schirmkrücke sank kraftlos zu Boden. Mudder Schultzens offensichtliche Bestürzung verschaffte ihm keine Genugtuung.
    „Franz! So warten Sie doch!“, rief sie ihm hinterher, doch ihre Beteuerungen und Entschuldigungen prallten von seinem Rücken ab. Die Einkehr in eine Wirtschaft verwarf er, vielmehr zog es ihn vor die Tore der Stadt, um der Enge ihrer Mauern für einen Nachmittag zu entfliehen.
     

Sonntagsspaziergang
     
    Die See lag so ruhig – vereinzelt am Himmel hängende Wolken spiegelten sich in ihrer fast unbeweglichen Oberfläche. Das Gelbgrün der Sandbänke schied sich deutlich vom Dunkelgrün der Seegraswiesen. Doch die scharfen Farbkontraste des Flachwassers verloren sich allmählich im einheitlichen Blau der tieferen Wasserzonen.
    Margitta stand oben auf der steil abfallenden Kliffküste. Sie hatte ihr Theaterglas mitgenommen und beobachtete fasziniert die Verwandlungskünstlerin zu ihren Füßen: die See. Weit draußen machte sie Segelschiffe aus, die vermutlich vor Warnemünde auf Reede lagen. Jedoch die kleinen Segelboote fehlten an diesem Sonntagvormittag. Die ungewöhnliche Flaute brachte die Bootsführer der Ausflugsjollen um ihre Tageseinnahmen.
    In Küstennähe schwammen drei Schwäne in der unnachahmlich majestätischen Art, wie man es von Schwänen kennt. Als folgten sie sie einer verabredeten Choreografie, senkten sie in einem fort die langen eleganten Hälse ins Wasser, um den Meeresboden nach Leckerbissen abzusuchen.
    „Hier, schau sie dir an“, einladend hielt Margitta ihrer Freundin das Glas vor die Nase, „sie sind wunderschön.“
    Johanna lehnte an einen der Baumstämme, die sich im Laufe ihres langen Lebens den stürmischen Nordwestwinden hatten beugen müssen und nun ihre Äste unwillig landeinwärts reckten. Da ihr Wuchs durch die Anfechtungen der Natur ständig gestört wurde, sahen sie seltsam verrenkt und knorrig aus, beinahe griesgrämig wie ein verwachsenes Weiblein. Der friedliche und ruhige Eindruck, den Wind und Meer vorgaukelten, war demnach trügerisch. Die Elemente setzten nicht nur den Bäumen, sondern auch der

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