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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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gewürgt, wenn er für die Attacke nur zur Verfügung gestanden hätte.
    Auf der Treppe zum Erdgeschoss setzte der jähe Schmerz wieder ein. Sie dachte wehmütig an den Ball, der am heutigen Abend stattfand, auf dem sie sich nun doch nicht in den Armen des Grafen wiederfinden sollte.
    „Verdammter Mist“, fluchte sie im ungeeignetsten Moment: Nach ihrem nächsten Schritt tauchten Johanna und Elvira in ihrem Blickfeld auf. Die beiden standen unter der Treppe und waren somit unfreiwillige Zeugen ihres unfeinen Ausbruchs geworden.
    „Ähm, Margitta fühlt sich nicht wohl“, begründete sie ungefragt die Abwesenheit ihrer Tochter. „Kommt rasch, wir kommen sonst zur Table d’hôte zu spät“
    „Was fehlt ihr denn?“, fragte Johanna besorgt. Auf dem Weg zum Speisesaal trippelte sie neben Baronin von Plessen her.
    „Lasst euch nur nicht die Köpfe verdrehen und die Herzen brechen. Euch beide könnte ich an jeder Ecke verheiraten, das müsst ihr euch immer vor Augen halten!“, erhielt sie zur Antwort.
    „Oh“, brachte Johanna heraus, die Enthüllung der Baronin verwirrte sie, weil sie erwartet hatte, bei Margittas Unwohlsein gehe es um Kopf- oder Leibschmerzen.
    „Liebeskummer“, ergänzte Elvira hilfreich.
    Johanna fiel es schwer, zu begreifen, dass die Gefühle einer schönen und vermögenden jungen Frau auch unerwidert bleiben konnten. Ihre Besorgnis wuchs, als sie sich einem gedanklichen Vergleich mit der Freundin unterzog. Margitta war nicht nur schön, sondern auch witzig und redegewandt. Was wäre, wenn Christian die Freundin in die engere Wahl zöge?
    Johanna bemerkte erschrocken, dass sie nicht von Mitgefühl für Margitta erfüllt war, sondern von Selbstmitleid und subtiler Eifersucht.
    Ihr Vater kam den Damen entgegengeeilt. Er begrüßte Baronin von Plessen mit einem Kompliment, ließ sich jedoch hinreißen, zu fragen, warum sie sich so viel Zeit gelassen habe.
    „Mein lieber Graf, man merkt Ihnen an, dass Sie nicht täglich weiblichen Umgang pflegen, sonst hätte sich ihre Frage erübrigt“, mahnte Madame konsterniert.
    Der Graf zog es vor, die Damen unter diversen Entschuldigungen in den Speisesaal zu begleiten.
    Traditionell speiste der Großherzog gemeinsam mit Hofstaat, seinen persönlichen Gästen und allen anderen Kurgästen an einer riesigen Mittagstafel. Das Stimmengemurmel vieler Menschen überdeckte die Tafelmusik. In der Badesaison taten die Musiker ihr Bestes zur Begleitung eines täglichen Rituals.
    Baronin von Plessen war nicht anzumerken, wie peinlich ihr die Verspätung war, sofort machte sie ihre Tischnachbarn mit den gesundheitlichen Problemen ihrer Tochter vertraut und erntete prompt jenes Verständnis, das sie vorausgesetzt hatte.
    Borowsky hatte Plätze freigehalten und Madame stellte hoch erfreut fest, die Gespräche von Fürst von Hardenberg und dessen Schwiegersohn Graf Pappenheim in Hörweite mitverfolgen zu können. Sie konnte auch, ohne sich den Hals zu verrenken, Fürst Blücher nebst Gemahlin, zwei seiner Söhne und den berühmten Blücheradjutanten Graf Nostitz beobachten, wie man mit dem Großherzog Höflichkeiten austauschte.
    Baronin von Plessens Blicke glitten unauffällig über die Gäste, aber sie entdeckte den Frevler nicht, der ihrer Tochter so viel Kummer bereitete.
    Hat sich vermutlich verkrochen vor meinem mütterlichen Zorn, dachte sie voller Genugtuung. Ihr finsterer Gesichtsausdruck verflüchtigte sich sofort, als der Graf sie mit der Auswahl eines Tischweines konfrontierte.
    Die Speisenfolge des viergängigen Menüs wurde in einem überaus großzügigen Zeitrahmen aufgetragen, so dass die bei Tisch üblichen Floskeln schon zwischen der zweiten Vorspeise und dem Hauptgericht aufgebraucht waren. Madame war gerade auf verzweifelter Suche nach einem Gesprächsstoff, der auch den Grafen würde fesseln können, als jemand ihr schmerzhaft auf ihren wunden Zeh trat. Sie wollte schon entrüstet auffahren, doch ihrem ersten Schrecken folgte Frohlocken. Wer anderes als der Graf konnte ihr auf den Fuß getreten sein, schließlich war er der Einzige, der sich in Reichweite befand.
    Sie errötete wie ein junges Mädchen und lächelte distinguiert. Bei einem vorsichtigen Seitenblick auf ihren Tischherrn bemerkte sie allerdings Absonderliches: Der Graf hielt beim Fleischschneiden inne und erstarrte gewissermaßen. Dann warf er ihr einen merkwürdigen Blick zu.
    Baronin von Plessen hob ihre fein geschwungenen Brauen fragend in die Höhe.
    Das stumme Zwiegespräch

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