Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
Vom Netzwerk:
den Finger sticht“, gab Baronin von Plessen gereizt zurück. „Mach schon, gib mir etwas dünnen Stoff, den ich mir um den Zeh wickeln kann. Er darf nur nicht auftragen, sonst komme ich nicht in meine Schuhe. Ausgerechnet heute passiert mir so ein Malheur. Die schönen Kalbsledernen habe ich mir in dem feuchten Sand völlig ruiniert. Sieh nur, überall weiße Ränder, vermutlich Salz von dieser Ostsee!“
    Madame ließ offen, was das größere Malheur war, der wund gelaufene Zeh oder ihre ruinierten Schuhe.
    Monique verdrehte nur in Gedanken die Augen, wusste sie doch, dass sich noch mindestens zehn Paar ebenso schöner Schuhe, wie die gerade betrauerten, im Reisegepäck der Gnädigsten darauf warteten, ausgeführt zu werden. Aber der Hang begüterter Damen nach immer neuem Schuhwerk belebte auch das örtliche Gewerbe außerordentlich. Beim gestrigen Abendspaziergang durch Doberan hatte Monique über zwanzig Schuhmachergeschäfte gezählt. Ihr kam ein absurder Gedanke, der ihr auch gleich über die Lippen sprudelte: „Vielleicht hat sich Seine Königliche Hoheit den Heiligen Damm nur als Seebad ausgesucht, damit die Damen alle nasenlang neue Schuhe kaufen und die Schuhmacher viele Steuern bezahlen müssen.“
    Baronin von Plessen starrte ihre Zofe ungläubig an.
    „Du entwickelst in der Tat Esprit, mein Kind“, bemerkte sie dann amüsiert.
    Monique atmete auf und strahlte. Doch ihre nächste Aufgabe verlangte volle Konzentration.
    „Soll ich das Mieder vorsichtshalber noch etwas nachschnüren, gnädige Frau?“ Sie schaute das Kleid sorgenvoll an.
    „Vor dem Essen? Bist du wahnsinnig? Ich bekomme ohnehin kaum Luft. Und außerdem, was soll das heißen – vorsichtshalber.“ Baronin von Plessen rückte unwillig an ihrem etwas stärker versteiften Mieder, als es derzeit üblich war. „Du hast wohl kein Vertrauen zu deinen Nähten, was?“, warf sie der jungen Frau vor.
    Die Zofe senkte unterwürfig den Blick und hielt das Kleid bereit, damit Madame hineinsteigen könne. Glücklicherweise ging alles gut, die Nähte platzten nicht und was noch viel wichtiger war, Madame gefiel sich in der changierenden Seide. Sie lächelte zufrieden in ihr Spiegelbild.
    In diesem Moment stürzte Margitta ins Zimmer und warf sich, ohne auch nur ein Wort zu sagen, bäuchlings aufs Bett. Madame entrüstete sich sofort über das ungehörige Betragen.
    „Margitta, was soll das! Schnell, zieh dich um, die Glocke wird gleich läuten.“
    „Ich will nichts essen“, gab das Mädchen zurück.
    Keinen Appetit und dazu noch schlechte Laune? Baronin von Plessens mütterliche Fühler schlugen sofort Alarm.
    „Was ist mit dir, Liebes, bist du krank?“, fragte sie besorgt. Sie humpelte an das Bett und befühlte Stirn und Hals ihrer Tochter.
    „Nein ...“ Selbst die eine Silbe klang weinerlich.
    Baronin von Plessen holte tief Atem. Sofort stand ihre Diagnose fest, das Häufchen Unglück auf dem Bett konnte nur an Liebeskummer leiden.
    „Was hat er dir angetan, der elende Schuft. Ich werde ihn ...“ Madame ballte die Fäuste und war bereits auf dem Weg zur Tür, sie vergaß sogar zu humpeln, der Schmerz ihrer Tochter hatte sie das rohe Fleisch unter ihrem Verband vergessen lassen.
    „Mama, nicht!“, bat Margitta eindringlich. „Es war doch gar nichts, er hat mir nur gesagt, dass er verlobt ist.“
    Das Mädchen vergrub sein Gesicht ein weiteres Mal in den Kissen.
    Baronin von Plessen blieb wie angewurzelt an der Tür stehen und drehte sich langsam um. Es erschreckte sie, dass sich ihr unfehlbar geglaubtes Gespür diesmal getäuscht hatte. Das Gebimmel des Mittagsglöckchens ließ sie wiederum erstarren. Hin und her gerissen zwischen mütterlicher Sorge und der Umsetzung eigener Pläne fasste sie einen Entschluss.
    „Monique, du bleibst so lange bei Margitta, bis ich zurück bin, ich lasse euch ein Diner heraufbringen. Du kannst ihr ja etwas aus dem ‚Werther‘ vorlesen, oder vielleicht doch nicht“, nahm sie ihre Anweisung zurück, als sie daran dachte, dass Goethes jugendlicher Held ein schlimmes Ende genommen hatte. „Such etwas Lustiges aus, wie wär’s mit Dem zerbrochenen Krug .“
    Madame hoffte, ihrer Tochter sei der gemeinsame Freitod des Dichters und seiner Geliebten nicht bekannt. Ein unverfängliches Werk wollte ihr in ihrem erregten Zustand partout nicht einfallen. Ihr wurde plötzlich erschreckend bewusst, dass die Welt mit leidenschaftlichen Tragödien angefüllt war. Sie hätte Trebbow am liebsten eigenhändig

Weitere Kostenlose Bücher