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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Kirchhof. Seine Blicke huschten über verwahrloste Gräber. Beklemmung beschlich ihn. Nur hin und wieder entdeckte er Namen auf einfachen Holzkreuzen. War das ein Gräberfeld von Namenlosen? Er hatte zumindest geweihte Erde betreten, das war gewiss, die Präsenz des Geistlichen bestätigte es.
    Franz bemerkte einen alten Mann, der zwischen den Ruhestätten Grünes sichelte. Der Alte musste hier häufiger zu tun haben, die gemähten Flächen hoben sich deutlich ab.
    „Sind Sie hier verantwortlich?“, fragte er ohne Umschweife, weil er aus einem ihm selbst unerfindlichen Grund wissen wollte, wo er sich befand.
    „Verantwortlich? Woför denn?“
    Die argwöhnische Gegenfrage irritierte Franz.
    „Für die Pflege des Kirchhofs natürlich“, gab er zurück.
    „Ach, Sei meinen, weil ik hier Grönes meih. Nee, nee, dat is man nur för mien Karninkens. De armen Lieken stüürt dat gor nich, wenn ik dat Unkrut hier wechnähm, nich ein ’n tut sik ümdaun.“
    „Warum nicht?“
    „Je nun, mien Herr, de Lü’ von Gertrudenstift hebben nauch Daun mit de Läbennigen, de künn sich nich noch mit de Liekens afgäben. Dat sünd all Lü’ von Utwarts, de sei dor wedder up de Been helpen. Un de Lieken, de kümm’n hier zu St. Gertruden up ’n Kerckhoff.“
    „Dann ist das hier gewissermaßen ein Kirchhof für Fremde?“
    „Jo, mien Herr, åwer mien Karninkens hebben nie nich wat dorgägen, de warden noch ümmer schnickenfett.“ Der Mann grinste vielsagend.
    Franz schluckte, als er sich einen braun gebrutzelten, von Friedhofsgrün gemästeten Kaninchenbraten vorstellte. Doch er wusste, es war in vielen Städten und Dörfern üblich, dass Kühe das Gras von den Gräbern fraßen und sich der Pastor die Beweidung des Kirchhofs vergüten ließ, wenn es nicht die eigenen Rindviecher waren, die da über geweihte Erde trampelten. Insofern erübrigte sich eine Grabpflege ohnehin.
    Franz hob seine Hand zum Tschako, dann überließ er den alten Mann seiner schweißtreibenden Arbeit. Menschen und Tiere mussten auch am Tage des Herrn versorgt werden. Und das galt auch für die Toten.
    Mit seinem Tschako in der Hand näherte er sich der kleinen Gesellschaft um den einfachen Sarg. Er hielt sich etwas abseits, konnte aber die Segenswünsche des Predigers gut verstehen, die sich jedoch nur auf das Notwendigste beschränkten, um einer kirchlichen Bestattung zu genügen.
    Plötzlich schmerzte es Franz, weil niemand am offenen Grab in einer persönlichen Beziehung zu dem Toten stand. Es musste doch Menschen geben, die Anteil am Leben des Ermordeten genommen hatten. Menschen, die nun um den Verschiedenen trauerten.
    Franz’ Beklemmung nahm zu, als er sich vergegenwärtigte, Johann könnte ebenso von Unbeteiligten zu Grabe getragen worden sein. Es tröstete ihn, Trauer zu empfinden. Vielleicht war auch Johann eine solch menschliche Empfindung zuteil geworden, falls ihn sein Weg in die Endgültigkeit geführt haben sollte.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Franz und schöpfte Luft, er wollte nicht um seinen Bruder trauern müssen.
    Die Totengräber beendeten ihr Werk und warfen die ersten Schaufeln Erde auf den schmucklosen Sarg. Das hohle Gepolter ging Franz durch Mark und Bein. Es kam Bewegung in die Eskorte, die sich ungerührt formierte und sich mit geschulterten Gewehren ohne Tritt entfernte. Der Kommissär verabschiedete sich vom Prediger und drehte sich zu Franz um.
    „Leutnant von Klotz? Was machen Sie denn hier?“ Der Beamte versuchte Überraschung vorzutäuschen.
    Franz traute der Vorstellung jedoch nicht. „Oh, ich habe den Leichenzug zufällig bemerkt und dachte mir, es gehöre sich so, den Unglücklichen auf seinem letzten Weg zu begleiten.
    Schließlich hat er mir, so makaber das aus seiner Sicht klingen mag“, Franz deutete mit dem Kopf auf das frische Grab, „eine große Sorge abgenommen.“
    „Ja, so kann man das auch sehen. Wie sind Sie darauf gekommen, dass er es ist, den wir hier begraben?“
    Golzow wurde sich offenbar bewusst, nicht im Dienst zu sein, und fügte versöhnlich hinzu: „Sie müssen meine Frage selbstverständlich nicht beantworten, ich bin nur neugierig.“ Er stülpte seinen Hut auf und strebte der Stadt zu. Franz begleitete ihn, ohne zu zögern. Es war wohl jedem daran gelegen, den traurigen Ort so schnell als möglich zu verlassen.
    „Es war reine Intuition“, bemerkte Franz im Plauderton. Er gab sich Mühe, seine Anspannung zu verbergen. Seine erste, äußerst unangenehme Begegnung mit dem

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