Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
konnte uns der Kaiser noch zusetzen, aber zwei Tage später – bei Waterloo – wurde Napoleon endgültig geschlagen. General Wellington rechnete zu Recht mit meinem Fürsten und unserer Kampfkraft!“ Man sah Nostitz den Besitzerstolz förmlich an. Er diente gewiss mit Hingabe seinem Fürsten.
„Womit beschäftigt sich ein Soldat in Friedenszeiten“, fragte Margitta schnippisch. Zu spät fiel ihr ein, Graf Nostitz und Stetten sollten nicht als Leidtragende für Ludwigs Geständnis herhalten. Die Frage wurde jedoch zuvorkommend beantwortet.
„Zu der verliehenen Fürstenwürde gehört auch das Gut Griblowitz im Schlesischen. Mein Fürst betreibt dort eine gut gehende Landwirtschaft. Wir werden vor allen Dingen Pferde züchten.“
Margitta bewunderte nun doch die Selbstverständlichkeit, mit der Nostitz die eigene Lebensplanung dem Dienst für Blücher unterordnete. Seine Ergebenheit war geradezu greifbar.
Inzwischen war die kleine Gesellschaft an der Westwand des Münsters zum Stehen gekommen. In der Weitläufigkeit des Englischen Gartens wirkte der kolossale Bau lange nicht so gewaltig, wie hoch aufragende Kirchenschiffe in der Enge von Stadtbebauungen, obwohl die Basilika in ihren Abmessungen bedeutenden städtischen Kirchen in nichts nachstand. Trotzdem konnten sich die Spaziergänger nicht der Faszination entziehen, die von dem gotischen Kunstwerk ausging.
„Sehen Sie nur, wie merkwürdig die Baumeister hier vorgegangen sind“, stellte Johanna erstaunt fest. Sie zeigte auf einen treppenartig angeordneten Wandabschnitt, der so gar nicht zu den eleganten Linien des Münsters passen wollte. Die Abtreppung mutete wie eine ungeschickt verschlossene Naht an einem prunkvollen Kleidungsstück an.
„Das müssen die Reste der romanischen Klosterkirche sein, die hier der Einfachheit halber in die neue Wand eingearbeitet worden sind“, schlug Stetten vor.
Elvira zog erneut das handliche Büchlein hervor, doch bevor sie es aufschlagen konnte, sagte Nostitz freundlich: „Sie brauchen nicht bei Röper nachzuschlagen. Mein junger Freund hat recht. Die alte Klosterkirche wurde überbaut, und, wie ich finde, mit dem schönsten Ergebnis weit und breit. Sie brauchen nur um die Ecke zu schauen, Demoiselle Engelmann, was sehen Sie dort?“
Sie folgte der Aufforderung und lugte vorsichtig hinter dem ältesten Teil des Münsters hervor, gerade so, als ob sie einen schockierenden Anblick befürchten müsse.
„Nichts Besonderes, Graf. Ich meine, ich weiß nicht recht, was mir auffallen sollte“, gab Elvira eingeschüchtert zu.
Margitta war neugierig geworden und betrachtete das Bild, das sich hinter dem ersten mächtigen Strebpfeiler des rechten Seitenschiffes bot. Das Querschiff der Kirche sprang an der Südseite vor. Es ragte genauso hoch wie das längere Hauptschiff und die Vierung trug einen Dachreiter. Aber wozu diente die Bogenmauer, die sich an das Querschiff anzulehnen schien, damit sie teilhabe an der Kraft und Monumentalität des Kirchenbaus?
„Sie meinen diese Mauer dort, nicht wahr?“, mutmaßte Margitta und schaute Nostitz fragend an.
„Ja, Mademoiselle, Sie sind eine gute Beobachterin. Die Mauer erscheint uns wenig passend zu der Erhabenheit der Kirche, doch einstmals hat sie zum Zentrum des Klosters gehört, dem Kreuzgang, der den eigentlichen Klosterhof umschlossen hat. Kommen Sie, lassen Sie uns auf den Spuren der Mönche wandeln, die auf dem Gang meditiert haben und ihren Gebeten nachgegangen sind.“
Nostitz machte eine einladende Handbewegung und Margitta, die eigentlich vom Promenieren nichts mehr hatte wissen wollen, schloss sich ihm bereitwillig an. Ein Ausflug in die Vergangenheit hatte seine besonderen Reize.
„Ist der Kreuzgang um so vieles älter als die heute erhalten gebliebenen Gebäude?“, wollte sie wissen.
„Wenn man die Baustile vergleicht, möchte man solche Schlüsse ziehen. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass zur Zeit der Doberaner Klostergründung der gotische Stil bereits seinen Siegeszug angetreten hat. Aber die Epoche fand ihren Beginn in Frankreich. Die Baumeister und Handwerker, die die Mönche hier in der Gegend für ihren Klosterbau verpflichten konnten, mochten noch nichts von St. Denis gehört, geschweige denn gesehen haben. Die mittelalterliche Baukunst fußte zuallererst auf Erfahrungen und nicht auf Berechnungen. Und so verwundert es nicht, wenn hier auf das über Jahrhunderte Bewährte zurückgegriffen worden ist – auf die romanischen Rundbögen.“
„Aber
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