Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
gezögert, Verehrteste, gleich wird wieder die Kugel rollen“, forderte Borowsky, ohne den Blick vom Tisch zu heben.
„Dann setzen Sie auf Rot! Glück im Spiel und Glück in der Liebe sollen sich zwar gegenseitig ausschließen, aber ich setze trotzdem auf die Liebe, also auf Rot.“ Sie wagte einen kurzen Seitenblick auf den Grafen, aber der schien ihre Ansprache nicht mitbekommen zu haben. Er plauderte nach wie vor mit dem Großherzog. Die Baronin lächelte vornehm in die Runde.
Borowsky gehorchte nur widerwillig. „Madame! So wenig Risiko? Ich verdopple meinen Einsatz doch nur, wenn ich auf die Liebe setzte.“ Er zwinkerte seiner Glücksfee verschwörerisch zu.
„Dafür haben Sie eine gute Chance, überhaupt etwas zu gewinnen. Sie sollten das Glück nicht herausfordern“, warnte sie.
„Sie haben recht, aber ich werde trotzdem alles setzen, was ich bisher gewonnen habe“, beschloss Borowsky zum Entsetzen seiner Glücksfee. Mit der Überzeugung genau das Richtige zu tun, schob er eine ansehnliche Anhäufung von Goldmünzen auf Rot.
Alle Gäste am Rouletttisch hielten den Atem an.
Die näselnde Stimme gab den bekannten Spruch von sich.
Klick, klick, klick, dann war die Energie der Kugel verbraucht. Sie blieb im Feld einer roten Zahl liegen.
Baronin von Plessen jubelte erleichtert und zog mit ihrem Gefühlsausbruch die Aufmerksamkeit des Großherzogs auf sich. Friedrich Franz von Mecklenburg-Schwerin zog eine Grimasse, als er die Einbußen der Spielbank, die Borowskys Glückssträhne geschuldet waren, im Geiste überschlug.
„Nun sehen Sie sich das unverschämte Glück Ihres Nachbarn an, Graf“, meinte er säuerlich. „Jetzt sollten Sie sich wirklich zufriedengeben, Baron von Borowsky. Sonst sprengen Sie mir noch die Bank!“, rief der Fürst dem strahlenden Gewinner zu und hob drohend den Zeigefinger.
„Oh, mit meinem bescheidenen Einsatz wird mir das schwerlich gelingen, Eure Königliche Hoheit“, gab Borowsky gut gelaunt zurück. „Hoheit sollten sich auch eine Dame suchen, die in Verbindung mit Fortune steht“, schlug er weiter vor.
Baronin von Plessen wedelte aufgeregt mit ihrem Fächer. Sie sonnte sich in der Aufmerksamkeit der meistenteils männlichen Spielbankbesucher. Allerdings zog sie es vor, nicht noch einmal für eine fünfzigprozentige Sache zur Verfügung zu stehen, geschweige denn, die verschwindend geringen Gewinnmöglichkeiten einzelner Zahlen auch nur in Betracht zu ziehen. Sie verabschiedete sich höflich, aber bestimmt und genoss bedauernde Ausrufe der Herren, die nicht nur die Bank reicher machen wollten.
Da sich die Spielbank im Logierhaus befand, hatte Baronin von Plessen keinen weiten Weg zurückzulegen, um in ihr Zimmer zu gelangen. Trotzdem war es ihr lieb, sich vom Grafen die paar Stufen hinaufbegleiten zu lassen. Die Ludwigsluster Gesellschaft sollte ruhig mitbekommen, in welch vertrautem Verhältnis sie mit dem begehrten Mann verkehrte.
„Ich muss dringend meinen Fuß schonen, ich hoffe Sie haben Verständnis“, sagte sie zum Abschied an der Tür.
„Gewiss, Madame! Ruhen Sie sich nur ausgiebig aus“, riet der Graf und machte eine förmliche Verbeugung. Er wollte schon gehen, drehte sich jedoch noch einmal um und fragte: „Was machen eigentlich die Mädchen mit dem angefangenen Nachmittag?“
„Sie wollen Doberan erkunden und ein wenig Bummeln gehen. Johanna kümmert sich rührend um meine Margitta, die heute nicht so viel Glück gehabt hat.“
Der Graf wusste mit der Andeutung nichts anzufangen, er wollte aber kein langes Gespräch auf dem Flur führen, wo hinter jeder Zimmertür lauschende Ohren zu vermuten waren.
„Nun denn, ich hole Sie und die Mädchen zur sechsten Stunde ab, wenn es Ihnen recht ist.“
„Wir werden diesmal pünktlich sein, Graf.“
Er verneigte sich wortlos und überließ Baronin von Plessen der Pflege ihres neuen Leidens.
Johanna hatte die Freundin überredet, eine Kahnpartie zu unternehmen. Die Belustigung wurde auf den Teichen des Klostergeländes angeboten, das vor einigen Jahren zum Englischen Garten umgestaltet worden war.
Elvira mietete eine Fahrgelegenheit inklusive eines kräftigen Burschen, der das Rudern übernehmen sollte. Vorsichtig stiegen die jungen Frauen in das bedenklich schwankende Gefährt.
„O Gott, so schlimm ist es nun auch wieder nicht, dass ich den Wassertod in Betracht ziehe“, scherzte Margitta, doch das Lächeln erstarb schnell auf ihren Lippen.
„Hier wirft sich niemand in die
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