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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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zwei vor wenigen Jahren errichtete Pavillons, die merkwürdigerweise den Stil der Chinoiserie im Zeitalter des Klassizismus aufleben ließen. Die Badegesellschaft ließ sich gern an der im Freien aufgedeckten Kaffeetafel nieder und lauschte bei einer bittersüßen Schokolade, bei Kaffee oder Tee den Platzkonzerten, die vor dem größeren der beiden Pavillons, dem zweistöckigen Musiktempel, gegeben wurden. Der kleinere Pavillon wurde der Einfachheit halber Trichter genannt, weil sein ausladendes Zeltdach an einen solchen erinnert. Margitta hatte gehört, in Altona habe es ein ähnliches Gebäude gegeben, das ebenfalls den treffenden Namen innehatte, und man erzählte sich hier, der Großherzog sei während seiner Zeit im Altonaer Exil zur Errichtung der hübschen Pavillons inspiriert worden. Im Trichter war eine Restauration untergebracht.
    Aber Margitta witterte hinter der harmlosen Einladung eine Absprache mit Trebbow. Sie wollte sich ungern vom plötzlichen Auftauchen des Bräutigams irgendeiner Pommerngans überraschen lassen. Insgeheim wünschte sie Johannas Bruder herbei. Nur um Ludwig zu ärgern, würde sie sich am ersten großen Ballabend ihres jungen Lebens großartig mit einem unbekannten Mann amüsieren. Graf Nostitz war eine weitere Trumpfkarte, die sie ausspielen konnte.
    „Sehr gern, Herr Leutnant“, sagte sie liebenswürdig, „wenn nicht ein Ballabend vorzubereiten wäre, würden wir Ihrer Einladung folgen. Doch wir müssen uns entschuldigen, wenn Sie heute Abend noch Freude an uns haben wollen.“
    Johanna öffnete den Mund, um zu protestieren, aber Stettens Antwort kam ihr zuvor und verhinderte die Einwände, die ihr auf der Zunge lagen.
    „Sie könnten auch in Lumpen gehüllt zum Ball gehen, Mademoiselle, jeder Mann im Saal würde sich um Sie reißen.“
    Mit dem Kompliment auf den Lippen küsste er Margittas Hand zum Abschied. Seine einschmeichelnden Worte versetzten Johanna einen empfindlichen Stich, sie lächelte jedoch tapfer, als er sich ihr zuwandte.
    „Bis später, meine Schöne“, flüsterte er in so vertraulichem Ton, dass Johanna das Herz aufging.
     

Eine märchenhafte Begegnung
     
    Franz hörte die Musik schon von weitem. Die Inhaber einer Gastwirtschaft, die ihm freundlicherweise eine frei gewordene Kammer mit einem Feldbett, und was noch viel wichtiger war, eine Waschschüssel und frische Handtücher zur Verfügung gestellt hatten, hatten ihn gewarnt, die gesamte Badegesellschaft sei auf einem Ball anzutreffen, den der Großherzog gebe.
    Ob ein Ballabend der richtige Rahmen war, um mit der kleinen Schwester ins Reine zu kommen, bezweifelte er. Doch wenn Johanna nicht mit ihm reden wollte, konnte er sie wenigstens vor den vielen Männern beschützen, die ihre Unerfahrenheit schamlos ausnutzen könnten. Er wurde sich bewusst, dass er auch so ein Mann sei, der Gelegenheiten stets zu nutzen gewusst hatte und plötzlich konnte er den Unmut von Vätern, Brüdern oder Vettern junger Schönheiten verstehen, die ihm die eine oder andere Eroberung nachtrugen. Es gehörte jedoch zu seinem Prinzip, niemals Jungfrauen, unter dem Vorwand sie ehelichen zu wollen, der Unschuld zu berauben. Nach seiner Auffassung zählte ein gebrochenes Herz nicht zu den irreparablen Schäden, die eine Liaison schon mal zurücklassen konnte. Vielmehr waren erfahrene Damen Ziel seiner Begierde. Der Krieg hatte viele Witwen hinterlassen, oft im blühenden Alter, offen für Avancen junger Männer und auf Bällen umschwärmt wie von Motten das Licht. Eine Witwe konnte sich Dinge erlauben, die für ein unverheiratetes Fräulein undenkbar waren.
    Gedanklich immer noch mit der Freizügigkeit hinterbliebener Damen beschäftigt, fiel ihm ein roter Kirschmund auf. Er gehörte zu einer Dame, die diese Bezeichnung eigentlich nicht verdiente. Franz hätte sein Pferd verwetten mögen, wenn er die grell geschminkte junge Frau nicht schon einmal in Rostocks Straßen ihrem eindeutigen Gewerbe hatte nachgehen sehen. Augenscheinlich exportierten einige Rostocker Huren ihren Broterwerb in den mondänen Badeort, wo sich offenbar lohnende Geschäfte tätigen ließen. Er betrachtete die Anwesenheit der treuen Seelchen als Alternative, falls sich nichts Besseres an diesem vielversprechenden Abend ergeben sollte. Im Hinblick auf die Bescheidenheit seines Quartiers, so mahnte er sich, sollte er auch Bescheidenheit in seinen Ansprüchen üben. Andererseits war eine laue Sommernacht geradezu geschaffen für eine Neueroberung. Alte

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