Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Gefahr, wenn er sie von Johanns Geheimnissen fernhielte. Außerdem war nichts Ehrenrühriges daran, den eigenen Namen vor Anwürfen zu schützen.
„Ich werde morgen nicht vor der zehnten Stunde zurück sein. Wir sollten jetzt unsere Vorbereitungen treffen und das Haus verlassen“, bemerkte er abschließend.
Kurze Zeit später war Franz mit dem Jungen unterwegs. Es hatte ihm Genugtuung verschafft, wie seine komplette Aufmachung, vor allem sein Uniformrock, auf den Jungen gewirkt hatte.
Dem Halunken schlägt das Gewissen, dachte er.
Jedoch nicht lange. Bereits an der nächsten Straßenecke war seinem Gefangenen Erleichterung anzumerken, und das nur, weil die Wirtin sich verabschiedete.
Aber auch besagte Erleichterung sollte nur von kurzer Dauer sein und recht bald von nervöser Unruhe vertrieben werden. Der Junge hatte bemerkt, dass sein uniformierter Begleiter nicht den Weg zur Polizeipräfektur eingeschlagen hatte.
„Wohin gehen wir?“, fragte er voller Argwohn.
„Dahin, wo dich niemand hören kann“, entgegnete Franz finster und griff vorsichtshalber noch fester zu. Er hatte den Arm des Jungen mit dem eigenen verschlungen. Jede Auflehnung erinnerte den Burschen schmerzhaft daran, Fluchtversuche tunlichst zu unterlassen.
Während der Junge sich die furchtbarsten Folterungen ausmalte, was seine schweißglänzende Stirn belegte, war Franz gedanklich damit beschäftigt, wie er es am besten anstelle, seinen Gefangenen aus der Reserve zu locken.
„Ich, ich konnte nicht anders, Herr General!“, stöhnte der Junge.
Franz hatte keinen Gedanken daran verschwendet, dem Jungen etwas anzutun, obwohl er immer noch geladen war, mit welch frecher Kühnheit der Dieb zugeschlagen hatte. Jedoch die Wirkung seiner Drohung war durchaus zufriedenstellend.
„Willst du dich über mich lustig machen, Kerl? Bist wohl noch nie einem preußischen General begegnet“, erwiderte er zerknirscht, dabei all sein schauspielerisches Talent aufbietend.
„Um Gottes willen, nein! Hab nur nicht unhöflich sein wollen, Herr Offizier“, jammerte der Junge. „Ich hab keine andere Wahl gehabt, als das zu machen, was der Herr von mir verlangt hat.“
„Welcher Herr? Willst nur die Schuld einem anderen zuschieben, was?“, meinte Franz abwehrend.
„N-nein, der Mann hat mich wirklich gezwungen!“, beharrte der Bursche.
„Womit? Mit einem Beutel voller Taler?“, fragte Franz.
„Schön wär’s“, bekam er zu hören. Missbilligend warf er dem Burschen einen scharfen Blick zu. Der Junge wurde puterrot.
„Wenigstens bist du noch in der Lage, dich zu schämen“, rügte Franz. „Du hast einen Herrn genannt! Kennst du ihn?“
„Nein!“
Franz verstärkte den Druck nur leicht.
„W-wirklich nicht, Herr Offizier!“, ächzte der Junge, dem die Stimme zu versagen drohte, so dass Franz beinahe Mitleid empfand. Zumindest in diesem Punkt schien sein unfreiwilliger Begleiter die Wahrheit gesagt zu haben.
„Nun gut, ich will dir glauben. Aber wie konntest du von dem Herrn gezwungen werden, zu stehlen?“
„Na ja. Er hat mich mit der Hand an seinem Geldbeutel erwischt, wo der noch nicht mal gelohnt hätte“, gab der Dieb bedauernd zu. „Er hat mir angeboten, von einer Anzeige abzusehen, wenn ich ihm einen Gefallen tun würde.“
„Er nannte einen schweren Diebstahl in Tateinheit mit Einbruch wirklich einen Gefallen?“ Franz war ehrlich empört.
„Ich hab’s Ihnen doch gleich gesagt. Ich bin kein Dieb“, sagte der Junge daraufhin beinahe fröhlich. Beutelschneiderei zählte er offenbar einem rechtschaffenen Broterwerb zu. „Der Mann übergab mir sogar einen Schlüssel und hat mir genau erklärt, wo ich was finde und was ich mitnehmen soll. Die Sachen gehören nämlich ihm, wissen Sie.“
Franz starrte den Jungen entgeistert an, die eigene Unsicherheit ermutigte seinen Gefangenen.
„Erst hab ich gedacht, ich bin im falschen Zimmer, Mann, war da eine Unordnung. Wenn mir nicht gesagt worden wäre, welche Farbe der Aktendeckel hat, hätte ich den im Leben nicht gefunden.“
„Was sollte dem Herrn gehören?“, fragte Franz frostig.
Erneut erinnerte der schmerzhafte Zangengriff den Jungen an die wenig erfreuliche Situation, in der er steckte. Als er das Zimmer durchsucht hatte, dürfte ihm fraglos die Uniformjacke aufgefallen sein, die zum Trocknen am Fensterknebel gehangen hatte.
„Ja, ähm, vielleicht gehören sie ihm doch nicht“, schränkte er diplomatisch ein. „Aber das konnte ich doch nicht wissen“,
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