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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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deren ungezählten Blättern, aber Franz achtete nicht darauf, sondern durchlebte in Gedanken die beginnende Ohnmacht.
    Er erinnerte sich des Gefühls, das am ersten Tag, oben auf dem Treppenabsatz, Besitz vom ihm ergriffen hatte.
    Er wusste es nach wie vor nicht zu deuten.
    Sein Erlebnis in der Kirche war jedoch ungleich dramatischer gewesen. Es war ihm zuwider, nicht Herr seiner selbst zu sein. Er hatte geglaubt, die Zeit der Krankheit und die mit der Krankheit einhergehende Schwäche endgültig überwunden zu haben. Unwillkürlich griff er sich an die Brust. Er hatte mit dem Tode gerungen und viele Wochen auf dem Krankenlager verbracht. Nur langsam hatte er sich von dem Degenstich erholt, den ein Unbekannter ihm rücklings beigebracht hatte.
    Jeder der Helfer und Ärzte, der einen Blick auf seine Verletzung geworfen hatte – einen glatten Durchstich durch die linke Brusthälfte – hatte keinen Pfifferling auf sein Überleben verwettet. Nur ein Wunder hatte ihn gerettet. Gott hatte es gefallen, sein Herz in die rechte Seite seiner Brust zu pflanzen.
    Hatte der Herr in der Kirche auf seine Güte aufmerksam machen wollen? Wollte der Allmächtige daran erinnern, Franz von Klotz stehe in seiner Schuld?
    Ein zaghaftes Klopfen an der Tür unterbrach Franz’ Gedanken. Er stand auf und öffnete. Ein Hausmädchen stand auf dem Flur. Es wunderte sich offenbar, dass der Grafensohn immer noch im Sonntagsstaat war, denn es musterte sein spitzenverziertes Hemd. Unwillig zog er an seiner Halsbinde und wartete.
    „Der Herr Verwalter lässt ausrichten, der Wagen ist vorgefahren“, piepste es, machte einen Knicks und wendete sich zum Gehen.
    Lieber Himmel, Borowsky hab ich ganz vergessen, dachte Franz.
    Der dunkle Rock und das feine Hemd flogen achtlos aufs Bett. Auch die helle Hose war für die Jagd denkbar ungeeignet. Franz hatte einigermaßen Mühe mit den Stiefeln, aber sie mussten herunter, wie hätte er sonst aus der Hose kommen sollen. Vor Anstrengung keuchend gelang es ihm endlich. Er zog sich in Windeseile um und stürzte die Treppe hinunter. Jedoch die Dienstboten, die unten in der Halle zusammenstanden, stoppten seine Eile, unter ihren Augen verließ er gemessenen Schrittes das Haus.
    Am Fuße der Freitreppe wartete ein leichter Jagdwagen, davor zwei edle Füchse unter einem eleganten Kummetgeschirr. Das schwarze gepflegte Leder des Geschirrs und seine Messingbeschlagteile glänzten in der Sonne. Der Kutscher saß kerzengerade und mit stoischer Ruhe auf der vorderen Bank. Franz schnalzte mit der Zunge und ließ einen anerkennenden Blick über das Gespann gleiten. Stein saß im Wagen und forderte ungeduldig, Franz solle endlich einsteigen. Kaum hatte Franz Platz genommen, setzten sich die Pferde in Bewegung. Der Kutscher hatte eine Peitsche zur Hand, ließ sie aber nur ermunternd über den aufmerksamen Tieren kreisen.
    Die Pferde waren aneinander gewöhnt und trabten mit zugewandten Köpfen willig nebeneinander her. Manchmal verlangsamten die Tiere ihre Gangart, in der Regel dort, wo tiefgründige sandige Wege oder Steigungen das Vorankommen erschwerten.
    Auf der einstündigen Fahrt hatte Franz Muße Bauernstellen, Dörfer, Wälder, zwischen Hügeln versteckte Seen aus einem völlig anderen Blickwinkel als hoch zu Ross zu betrachten. Es kam ihm grad so vor, als ob der Anblick von Landschaft, Natur und aus der Ferne herübergrüßende Dächer und Kirchtürme nur dem einen Grund dienten – ihm Freude zu bereiten.
    In der letzten Viertelstunde der Wegzeit passierte der Wagen einen gepflegten Hochwald aus Laubgehölzen. Das Unterholz war herausgeschlagen und entfernt worden. Zwischen den Bäumen lugte dann und wann die Sonne hindurch und verwöhnte mit ihren Strahlen den üblicherweise beschatteten, grün bewachsenen Waldboden. Es duftete herrlich nach frischer Erde, Moos und Waldmeister.
    Plötzlich wich der Baumbestand zurück und Borowskys Anwesen zog Franz’ Blicke auf sich.
    Das Schloss machte einen recht trutzigen Eindruck. An allen vier Ecken des Hauptgebäudes ragten gedrungene, mit Kuppeldächern bekrönte Türme auf. Aber ein freundlicher hellgelber Anstrich milderte den wehrhaften Charakter der Anlage.
    Auf dem Vorplatz umrundete der Wagen ein mit Kübelpflanzen umstelltes Rondell und kam vor einer ausladenden Treppe zum Stehen. Ein Diener eilte herbei und bot den Gästen seine Hilfe beim Aussteigen an, doch die Männer lehnten sein Ansinnen ab.
    Borowsky empfing seine Gäste mit ausgebreiteten Armen. Er

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