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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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ließ seiner volltönenden Stimme freien Lauf. Franz wurde bei der Begrüßung wieder freundlich durchgeschüttelt. Der Hausherr bugsierte seine Gäste durch die Halle in ein Jagdzimmer und nötigte sie, in wuchtigen Sesseln Platz zu nehmen. Auf einem ebenso wuchtigen Tisch, mit Beinen, die Pranken exotischer Raubtiere nachempfunden waren, standen Erfrischungen bereit. Alles in dem großen Raum erinnerte in irgendeiner Weise an die Jagd. Die Decke bildete ein mittelalterliches Kreuzrippengewölbe, das mit Fresken, Jagdszenen vorstellend, verziert war. Vom Schlussstein des Gewölbes senkte sich ein Leuchter herab. Die Kerzen staken auf Dammhirschschaufeln.
    An den hohen Wänden reihte sich – fein säuberlich geordnet nach Wildart – Trophäe an Trophäe: Geweihe von Rot- und Dammhirschen, die Schaufeln eines riesigen Elchs hingen an einem Ehrenplatz, Gehörne von Rehbock und Muffelwild und unzählige Keilerwaffen, die sich paarweise drapierten. Alles zeugte vom waidmännischen Erfolg des Schlossherrn. Präparierte Exemplare von Fasan, Eichhörnchen, Marder und Dachs schienen überall umherzuhuschen. Franz entdeckte sogar einen imposant großen Fischkopf, dessen Maul mit nadelspitzen Zähnen bewaffnet war, in der beeindruckenden Sammlung.
    Auch die Waffen, von denen Stein gesprochen hatte, fanden sich hier. Franz war zwar kein erfahrener Jäger, selbstredend kannte er sich mit Waffen aus. Borowsky schwelgte in seinem Element, als Franz ihn bat, seine auserlesene Sammlung vorzuführen.
    „Viele Exemplare, die Sie hier sehen, haben bereits Museumswert. Kein Mensch würde sie mehr für die Jagd benutzen. Diese Waffe beispielsweise“, er holte ein sehr langes, mit Silber beschlagenes Gewehr aus dem Schrank, „ist eine Arkebuse mit Schnappluntenschloss. Ich vermute, die ist ungefähr 350 Jahre alt.“ Zur Demonstration übergab Borowsky die Waffe an Stein. Der mühte sich, die Arkebuse wie eine gewöhnliche Flinte anzulegen. „Mein Gott, das Ding ist aber schwer“, bemerkte er erstaunt. „Damit konnte doch niemand auf die Jagd gehen, geschweige denn irgendetwas treffen. Oder waren unsere Altvorderen Recken und Hünen wie im Märchen?“ Sichtlich beeindruckt gab Stein das Werk historischer Waffenschmiede zurück.
    Borowsky lachte. „Nein, nein. Ich habe versäumt, Ihnen die Stützgabel vorzuführen, die dazugehört, worin der Lauf der Arkebuse gelegt worden ist. Man ging damit auch nicht auf Jagd. Solche Waffen wurden im Krieg verwendet.
    Ich habe erst kürzlich ein Buch über Piraten zur Zeit der spanischen Konquistadoren gelesen. Arkebusiere haben die Freibeuter gleich reihenweise vom Deck geputzt. Pikanterweise hat man die Läufe mit allerhand Metallgegenständen vollgestopft, egal ob spitz oder stumpf. Mit den streuenden Geschossteilen hat man die verheerende Wirkung der Waffe verstärkt. Es hat ja immer eine gewisse Zeit gedauert, bis man wieder schussfertig war.“
    Franz interessierte sich für eine Waffe mit kurzem Lauf und einer angesetzten, kugelförmigen Verdickung am Schaft. „Die Pistole ist ja fabelhaft gearbeitet. Woher stammt die?“, fragte er.
    Der Hausherr nahm die mit Elfenbeinintarsien geschmückte Waffe zur Hand, steckte sie in den Gürtel und wandte sich mit der Bitte an seine Gäste, sich Folgendes vorzustellen: „Nehmen wir an, ich trage diese handliche Waffe, so wie jetzt am Gürtel, aber unter einem Umhang verborgen und wandle so gegen anno 1517 auf den Straßen der Hauptstadt des habsburgischen Kaiserreiches.“ Borowsky schaute verschwörerisch in die Runde und tat bei der Drehung seines Körpers so, als hülle er sich in einen langen weiten Umhang. „Die Pistole ist mit einem Radschloss ausgestattet, das es möglich macht, sie im gespannten Zustand und mit einer Hand unter dem Umhang hervorzuziehen und sofort zu schießen.“ Borowsky zog mit einer plötzlichen Bewegung die Pistole hervor und betätigte den Abzug der nicht geladenen Waffe. Seine Gäste verfolgten das Schauspiel gebannt.
    „Das Geheimnis ist eine Radfeder im Innern der Pistole, die lange vor dem Schuss mit einem Vierkantschlüssel aufgezogen wird. Bei Betätigung des Abzuges setzt sie ein gezacktes Rad in Bewegung, das wiederum schlägt Funken von einem Stück festgeklemmten Schwefelkieses. Die Funken fallen in die Zündpfanne und entzünden die Treibladung hinter dem Geschoss – peng!“ Borowsky senkte die Waffe. „Wenn man bedenkt“, fuhr er fort, „dass Feuerwaffen gewöhnlich sehr lang und schwer waren und

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