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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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lächelten glückselig, als sie von seiner Anordnung erfuhren.
    Der Mediziner hatte neben der Bandagierung eines gebrochenen Daumens nur noch ein paar Magenverstimmungen bei Halbwüchsigen zu kurieren. Das zu dieser Jahreszeit häufig auftretende Leiden führte der beschlagene Mann auf übermäßigen Verzehr von Kirschen und Stachelbeeren zurück und es stellte ihn keinesfalls vor unlösbare Probleme. Schon der Blick auf seine riesige Klistierspritze ließ den größten Teil seiner Patienten spontan genesen.
    Stein entlohnte den Arzt für seine Bemühungen und die anstrengende Reise, nachdem der honorige Herr Doktor noch einige Pülverchen und Tinkturen für Elsis Hausapotheke dagelassen hatte. Der Kutscher des Gutes, der den Arzt auch herbeigeholt hatte, brachte ihn mit einem Zweispänner über die holprigen Wege zurück in die Stadt.
     
    Franz hatte sich einen schlichten Anzug aus Johanns Garderobe ausgesucht, um für seine neuen Aufgaben angemessen gekleidet zu sein. Die Zustimmung seines abwesenden Bruders hatte er einfach vorausgesetzt. Tagsüber wich er dem Verwalter nicht von der Seite und so lernte er den größten Teil der Arbeiten auf dem Gut kennen.
    Die Vorbereitungen zum Empfang des Grafen spürte man auf Schritt und Tritt. Die Mägde im Herrenhaus waren allenthalben damit beschäftigt, Fliesen zu scheuern, Dielen zu spänen und zu bohnern, Fenster zu putzten, Wäsche zu waschen und zu bleichen. Sogar die feinen Polstermöbel des Salons wurden eines Tages auf den Vorplatz hinausgetragen und mit Klopfern so lange bearbeitet, bis auch das letzte Staubkorn beschlossen hatte, die ungastlichen Behausungen zu verlassen.
    Die Männer beeilten sich regelmäßig, solchen Aktivitäten aus dem Wege zu gehen. Abends, wenn das Tagwerk abgeschlossen war, setzte sich Franz gern in die umfangreiche Bibliothek und studierte Werke über die Anatomie der Haustiere. Er war erstaunt, dass die Verdauung von Schafen, Ziegen und Rindern sich so sehr unterschied von der der Pferde. Und besonders amüsierte ihn die Anmerkung eines Anatomen, der doch tatsächlich niedergeschrieben hatte, der Aufbau und die Funktion des Körpers eines Schweins seien dem des Menschen am ähnlichsten.
    Stein blätterte geräuschvoll in einer Abhandlung über das Haltbarmachen von Saftfutter. Ein Teil des nächsten Grünschnitts sollte nicht geheut, sondern zu Silage verarbeitet werden. Diese Art der Konservierung hatte er als Verwalter auf Hohen-Lützow eingeführt, aber die erzeugte Qualität des Futters hatte ihn noch nie zufriedengestellt.
    Franz’ Blick ruhte auf der Farblithographie eines aufgeklappten Kuhmagens, aber seine Gedanken galten dem morgigen Sonntag und der bevorstehenden Jagd. Ohne jede Überleitung ließ er Stein an seinen Überlegungen teilhaben: „Ich habe gar kein Gewehr dabei!“
    „Was? Wieso? Ach wegen der Jagd!“ Stein ließ sich gern von seiner wissenschaftlichen Abhandlung ablenken, zumal es um sein Lieblingsthema ging. „Da machen Sie sich mal keine Sorgen“, sagte er grinsend. „Borowsky hat nicht nur genügend Wälder, worin sich Wild in Hülle und Fülle tummelt, er hat auch Waffen zuhauf, und das aus aller Herren Ländern.“
    „Aha! Also ist Borowsky ein weit gereister Mann“, stellte Franz sachlich fest. „Was trieb unseren lieben Nachbarn ihn in die Ferne?“
    „Trieb?“ Stein stand auf und legte die Abhandlung zurück auf ihren Platz. „Borowsky treibt es regelmäßig in die weite Welt. Ich habe gar nicht gewusst, dass er auf seinem Schloss ist. Übrigens, den Besitz in der Nachbarschaft hat er erst vor zwei Jahren gekauft.“
    „Dann lebt er nicht ausschließlich vom Ertrag seines Gutes? Oder hat er einen fähigen Verwalter, so jemanden wie Sie?“
    Stein tat so, als hätte er das Lob überhört. Er bemerkte gleichmütig: „Ich kenne die Qualitäten seines Verwalters nicht so gut, als dass ich mir ein Urteil erlauben dürfte. Das Nachbargut wird anders bewirtschaftet als Hohen-Lützow. Borowskys Besitz ist überwiegend mit Wald bestanden. Er selbst hält kein Vieh, seine Acker- und Wiesenflächen hat er an Bauern verpachtet. Die Leute, die er beschäftigt, sind alle angestellt und füttern für den Eigenbedarf ein paar Tiere. Kurzum, Borowsky hat Karlsholz nur gekauft, weil die Hirsche und Rehe in seinem Wald sich fast umlaufen. Aber die Sauen, die bei ihm untergekrochen sind, können bei mir nicht auf Gnade hoffen. Sobald die ihr Gebrech in meine Felder stecken, bin ich auf der Pirsch.“
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