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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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überhörte Franz geflissentlich, dass Stein von seinen Feldern gesprochen hatte. „Dann wird es also morgen auf die Saujagd gehen“, sagte er nur.
    „Davon bin ich überzeugt!“
    „Wann holt uns der Diener ab – zum Morgengrauen?“
    „Wo denken Sie hin. Hochehrwürden würde es Ihnen nie verzeihen, wenn Sie sich an Ihrem ersten Sonntag auf dem Gut nicht in der Kirche blicken ließen. Und was sollen die Leute von Ihnen denken?“
    Steins gespielte Empörung amüsierte Franz.
    „Natürlich, der Gottesdienst, wie konnte ich das nur vergessen“, meinte er kopfschüttelnd.
     

Sauhatz
     
    Zum Kirchgang hatten sich die Bewohner von Hohen-Lützow verwandelt. Franz war erstaunt, so viele Menschen, die er Tage zuvor bei den täglichen Verrichtungen auf dem Gut kennengelernt hatte, so vollkommen verändert anzutreffen. Die Männer und Burschen waren allesamt ordentlich gekämmt, mit dem jeweils besten Hemd, den guten Beinkleidern und einer Joppe angetan. Ihre Halsbinden waren blitzsauber und sorgfältig gebunden.
    So freizügig wie die französischen Damen – mit unter der Brust gerafften Hemdkleidern und viel nackter Haut über dem Dekolletee – zeigte sich hier kein weibliches Wesen.
    Die Frauen trugen dunkle oder auch bunt gestreifte knöchellange Röcke, über die sie dunkle Schürzen gebunden hatten, um so der Farbenpracht etwas Einhalt zu gebieten. Weiße Strümpfe und schwarze Halbschuhe gehörten dazu.
    Über hochgeschlossenen Blusen wurden bunte oder einfache Mieder getragen. Die älteren Frauen hatten sich wahrscheinlich aus reiner Gewohnheit Schultertücher übergeworfen, die jüngeren hatten das Bekleidungsstück wegen der sommerlichen Hitze zu Hause gelassen. Zur Tracht gehörten liebevoll bestickte und mit Spitze besetzte Hauben. Nur die jungen Mädchen ließen ihr seidig gebürstetes, oft sehr langes Haar über den Rücken wallen. Franz nahm an, es sei ein Zeichen ihrer Jungfernschaft – oder es solle zumindest anzeigen, noch frei und ledig zu sein. Er entdeckte auch Anne unter den Mädchen, und kurz darauf, geführt von einer älteren Frau, die junge Schönheit, deren Geheimnis er noch nicht hatte lüften können. Ihm hatte es bisher an der Gelegenheit gefehlt, den Pastor oder Elisabeth auszuhorchen.
    Franz hatte darauf verzichtet, seine Uniform anzulegen. Stattdessen trug er einen dunklen Rock mit langen Schößen und eine helle, eng geschnittene lange Hose. Das frisch gestärkte Hemd mit eingenähten Biesen und Spitzenbesatz kam ihm zwar dandyhaft vor, aber Elisabeth hatte darauf bestanden, er solle es tragen. Der dunkle Zylinderhut war zu seiner Aufmachung ein Muss.
    Die Köchin hatte das richtige Gespür gehabt, Franz von Klotz wurde von den Dorfbewohnern ehrerbietig angestaunt.
    Nach und nach verschluckte das Kirchlein die vielen Menschen, die sich auf seinem Vorplatz in Grüppchen zusammengefunden und dabei den neuesten Klatsch ausgetauscht hatten. Kaum dass die Gläubigen das Portal passiert hatten und die Kühle dicker Felssteinmauern zu spüren bekamen, verstummten ihre Gespräche. Man reihte sich nacheinander in das wurmzerfressene Gestühl ein.
    Stein hatte Franz schon einige Tage vor dem sonntäglichen Gottesdienst die Kirche gezeigt und besonders auf den Patronatsstuhl hingewiesen, den Franz als Familienmitglied derer von Klotz am Sonntag benutzen solle. Franz hatte bei der Gelegenheit erfahren, sein Vater übe als Eigentümer des Gutes auch das Patronat über die Kirchgemeinde von Hohen-Lützow aus. So wie einst seine väterlichen Vorfahren aus ihren Mitteln die Kirche gestiftet hatten, so gehörte es zur selbstverständlichen Pflicht des Grafen, Pastor und Küster für ihre Dienste zu bezahlen.
    Franz kam sich in dem Gestühl, das Platz für mindestens sechs Personen bot, verloren vor. Aber er brach nicht mit der Tradition und tat allen Leuten die Freude, seine Rechte in Anspruch zu nehmen.
    Nach dem Eingangslied setzte Orgelspiel ein. Franz war vom raumgreifenden Klang des Instrumentes und der Virtuosität des Spiels überrascht, er hatte nicht erwartet, ihm werde in der kleinen Kirchgemeinde ein solcher Genuss geboten. Auch die anderen Kirchgänger entzogen sich der Faszination der eindringlichen Klänge nicht und so wurden alle auf das gemeinsame Gebet eingestimmt.
    Als der Pastor mit seiner sonoren Stimme anhub zu sprechen, bereitete es Franz Schwierigkeiten, der Predigt zu folgen. Seine Narbe begann zu pochen und ihn durchfuhr aus heiterem Himmel ein brennender Schmerz, als

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