Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Lapérouse geneigt war, zu Papier zu bringen. Sein herrischer Blick bestätigte es.
Franz griff nach dem Blatt Papier und während er es vorsichtig unter Alans rechter Hand fortzog, packte ihn dessen Linke am Unterarm. Franz spürte den klammernden Griff, der ihn eigentlich hätte beunruhigen sollen, er schaute auf und blickte in ein hassverzerrtes Gesicht.
„Wenn Sie mich jetzt umbringen wollen, werden wir zumindest so viel Lärm machen, dass die Wirtin schreiend aus dem Haus rennt und die gesamte Gegend rebellisch macht. Und wer von uns beiden die Oberhand gewinnt, bleibt auch noch abzuwarten“, bemerkte er ungerührt, aber er entließ Lapérouse nicht mehr aus seinem Blick. Er hatte glücklicherweise die rechte Hand frei, vermied allerdings eine schnelle Bewegung in Richtung Stiefel.
Der Griff lockerte sich, Lapérouse ließ sich schwerfällig zurückfallen. Vermutlich war er zu der Überzeugung gelangt, seine Attacke liefere nur eine Handhabe für eine Anzeige. Aber wenn er sich an die Abmachung hielte, durfte Franz ihn nicht der Polizei ausliefern, dem stand nicht nur sein Ehrenwort entgegen, dem Lapérouse vielleicht wenig Gewicht beimessen mochte.
Seit gestern Abend war sich Franz seines Dilemmas bewusst. Er hatte einem Betrüger zur Flucht verholfen, so jedenfalls würden die Behörden den Tatbestand auslegen. Demzufolge war er genauso straffällig geworden wie Lapérouse und das war das Faustpfand, das der andere sich nicht aus der Hand nehmen ließe. All das hatte Franz Ruhe bewahren lassen. Er hielt Lapérouse durchaus nicht für einen Schwachkopf, obwohl er ihn gestern in Doberan einen Idioten geschimpft hatte.
„Wie geht es weiter?“, stand auf dem Blatt Papier. Die Frage beschäftigte Franz ebenso brennend wie Lapérouse. Franz hätte beinahe die Schultern hochgezogen, tat es jedoch nicht, weil es ihm als Offenbahrung mangelnder Entschlusskraft ausgelegt worden wäre. Lapérouse sollte nicht mitbekommen, ihm fehle jede Vorstellung. Ebenso wenig war daran zu denken, einfach das Haus zu verlassen und Lapérouse die Initiative zu überlassen. Der Mann, so befürchtete Franz, würde die Gelegenheit schamlos ausnutzen und Johanns Domizil gründlich durchsuchen, bevor er sich aus dem Staub machte. Der sorgfältig gearbeitete Kasten, der nach Jochens Bericht zu den Dingen zählte, die Lapérouse unbedingt in seinen Besitz hatte bringen wollen, lagerte keine zwei Schritte entfernt. Franz musste den Impuls unterdrücken, auf die Schublade der Kommode zu starren, die den Gegenstand gemeinsamen Interesses zuverlässig verbarg.
„Machen Sie einen Vorschlag“, bot Franz schmallippig an.
Lapérouse grinste nicht, wie es Franz erwartet hatte, stattdessen erhob er sich und deutete unmissverständlich auf die Tür.
Franz zog die Brauen hoch, dann machte er sich bewusst, sprechen zu können und fragte ungläubig: „Sie wollen am hellerlichten Tag die unmögliche Treppe passieren? In Ihrem Aufzug durch die Stadt laufen?“
Lapérouse schüttelte ärgerlich den Kopf, was Franz einigermaßen beruhigte. Er hatte sich schon revidieren wollen, was den Schwachkopf betraf.
Nun zeigte sein Gefangener in Richtung Dach.
„Ah! Sie meinen, es gibt einen weiteren Weg!“
Lapérouse nickte, diesmal vorsichtig, und sein Blick heftete sich sehnsüchtig an die verschlossene Tür.
„Einen Moment! So können Sie nicht aus dem Haus!“, stellte Franz mit Nachdruck fest. Er griff nach seiner Reisetasche, zerrte ein sauberes Hemd hervor, und warf es Lapérouse zu. Weiterhin förderte er zwei Halsbinden zutage und beantwortete sofort den fragenden Blick. „Als Verband!“
Franz deutete mit einer raschen Bewegung an, wie er sich den Sitz der zweiten Halsbinde vorstellte. „In der Nähe ist ein Barbiergeschäft, dort haben Sie gewiss des Öfteren Leute ein- und ausgehen sehen, die solche Verbände getragen haben.“
Alans Miene hellte sich wissend auf. Er deutete auf seine geschwollenen Wangen und nickte eifrig zu Franz’ Idee, riss sich die Reste seines Hemdes herunter und schlüpfte in das frische. Es war erwartungsgemäß zu eng.
Franz zückte ohne zu zögern sein Stilett. „Ich schneide es hinten auf“, erklärte er, weil Lapérouse instinktiv zurückgewichen war. „Sie müssen mir schon vertrauen, außerdem bin ich nicht das erste Mal mit meiner Waffe in Ihrem Rücken“, erinnerte er.
Lapérouse schluckte, drehte Franz dennoch den Rücken zu. Der gute Stoff musste sich dem scharfen Stahl fügen und Lapérouse
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