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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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nicht vereinnahmt zu werden, um die Meinung von Lapérouse nicht automatisch zu seiner eigenen zu machen.
    „Johann ist ein Mensch, der den Bonus seiner Herkunft nicht ermessen kann. Er kennt seine Wurzeln, verfügt über eine Zukunft und schließt sich dennoch Gestalten an, die all das in Frage stellen, was seine Existenz ausmacht. Das ist widersinnig! Er hat nie um etwas kämpfen müssen, weder um sein Leben noch um seine Heimat. Nur um seinem Umfeld zu gefallen, lehnt er sich gegen dessen Meinung nicht auf. Er ist in meinen Augen ein Dummkopf und Schwächling, ein verzärteltes Jüngelchen, an dessen Seele nur eine Sache nagt, die er jedoch nicht zur Kenntnis hat nehmen wollen.
    Den Widerspruch sucht er zu zähmen, indem er so tut, als ob keinerlei Leidenschaft in ihm wohne. Doch er hat sich gewaltig geirrt und das ist ihm genau in dem Moment klargeworden, in dem wir uns begegnet sind. Ich habe es ihm sofort angesehen, ich kenne diesen brennenden Blick, er ist mir nicht zum ersten Mal in meinem Leben begegnet. Ich habe gewusst, dass Johann mir verfallen ist, dass ich Macht über ihn ausüben, von ihm verlangen könnte, was immer mir beliebte.“
     
    Franz stöhnte: Ein Abgrund tat sich vor ihm auf. Er presste seine Zähne fest aufeinander.
     
    „Ich habe ihn von verbotenen Früchten kosten lassen, habe ihn süchtig gemacht nach mir. Er glaubt an Liebe, doch für mich ist die Sache nur Mittel zum Zweck. Johann versorgt mich bestens und ich habe ihn gleich in dreierlei Hinsicht in der Hand, dies näher zu erläutern erspare ich mir, ich denke, Sie können es sich zusammenreimen.
    Die Angelegenheit mit Friederike nahm er sehr übel. Die Sache mit ihrem Brief war aber auch zu dumm. Wie habe ich ahnen können, dass Friederike so unvernünftig ist und schriftliche Beweise für ihren Fehltritt verfertigen würde. Gewiss hätte ich die Sache bereinigen können, doch Kägler mischte sich ein, wollte Kapital aus dem schlagen, was er von uns zu wissen meinte, verkomplizierte alles derart, so dass Johann, dieser Trottel, der Ansicht war, seine Ehre mit dem Degen verteidigen zu müssen. Daraufhin habe ich ihn zu einer Reise nach England überreden können, einer angeblichen Studienreise nach Oxford. Den eigentlichen Hintergrund kennen Sie bereits. Johann war mir bei meinen Studien sehr behilflich, Sie sollten also Stillschweigen bewahren, wenn Sie Ihrem Bruder keinen Schaden zufügen wollen. Er kam übrigens nicht mehr dazu, Satisfaktion zu erlangen. Kägler war bereits tot, als Johann zum Vollzug seiner Forderung eintraf. Er wird einmal in seinem Leben vernünftig gewesen sein und sich aus dem Staub gemacht haben, bevor die hiesigen Behörden ihm unangenehme Fragen ...“
     
    Hier endeten die Aufzeichnungen. Franz stand auf und trat an den Kamin. Während er mechanisch sein Feuerzeug betätigte und das widerliche Pamphlet ein Raub der Flammen wurde, versuchte er, seine Gefühle zu ordnen.
    Es schüttelte ihn. Sollte wirklich wahr sein, was Lapérouse über Johann sagte, dann war die Wahrheit ungeeignet, um als Rechtfertigung für Johanns Verschwinden zu dienen, sowohl gegenüber der Familie, den Freunden als auch den Behörden. Einerseits schien nun Gott sei Dank klar zu sein, dass Johann am Leben und unverletzt geblieben war und auch mit Käglers Tod zumindest nicht unmittelbar zu tun gehabt hatte. Andererseits hatte er sich eines Vergehens schuldig gemacht, das noch vor gar nicht langer Zeit mit dem Tode durch Erwürgen und Verbrennen geahndet wurde. Aber es war nicht die barbarische Strafe, die Franz erschauern ließ, es war der Fakt an sich, der ihn erschütterte: Sein eigener Bruder sollte ein Sodomit sein? Er dachte an Hans-Georgs Blick, an die eigene Bestürzung, aber auch an die Gedanken, die er sich nach der ersten Begegnung mit dem jungen Mann gemacht hatte.
    Solange man nicht selbst betroffen ist, neigt man leicht dazu, Dinge zu verurteilen, die man nicht nachvollziehen kann, die außerdem gegen die göttliche Ordnung verstoßen. In dieser Ordnung ist es einfach nicht vorgesehen, dass ein Mann einen Mann begehrt, dachte Franz beklommen. Es gibt doch genügend Frauen, die sich Johann hätte aussuchen können!
    Franz verstand das nicht. Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und schaute sich hilflos um. Die Kommode geriet in sein Blickfeld. Dankbar, sich von schockierenden Erkenntnissen ablenken zu können, zog er die Schublade auf, die den polierten Kasten enthielt.
    Er stellte ihn vorsichtig auf den Tisch

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