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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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der Waffe, die in dem erlegten Stück steckte.
    Franz erinnerte die Situation an das Gefühl nach einer Schlacht, wenn die Wirkung der Droge Gefahr nachlässt, das Denken einsetzt – und das Zittern der Knie.
    Borowsky umrundete das erlegte Stück. Stein griff Franz unter die Arme und nahm ihm die Saufeder behutsam aus der Hand. Dann wies er ihn an, sich dort zu setzen, wo er stand. Stein untersuchte schnell das Bein unter der aufgeschlitzten Hose. Er stellte erleichtert fest, die Verletzungen beschränkten sich auf schmerzhafte Blutergüsse und Schürfwunden. Der Keiler hätte Franz ebenso eine lebensgefährliche Wunde beibringen können. Eine aufgeschlitzte Oberschenkelarterie wäre sein Tod gewesen.
    Borowsky klopfte Franz anerkennend auf die Schulter.
    „Sie haben heute das kapitalste Stück erlegt. Fühlen Sie sich zu einer waidgerechten Versorgung in der Lage?“
    Franz wusste, was von ihm erwartet wurde. Stein hatte ihn an einem Kaminabend alle mit der Jagd verbundenen Gebräuche gelehrt. Er legte das Stück auf die rechte Seite, wobei zwei Jagdhelfer mit anpacken mussten. Von der nächstgelegenen Erle schnitt er zwei Zweige vom Baum, einen Zweig, genannt Bruch, legte er mit der gewachsenen Spitze zuerst auf das Herz des erlegten Tieres und nahm es damit in Besitz. Den anderen Zweig klemmte er dem Keiler als letzten Bissen in das Gebrech. Dann sank er mit entblößtem Haupt auf die Knie, fand in stiller Andacht Versöhnung mit dem getöteten Geschöpf, sprach in Gedanken den frommen Wunsch aus, der Keiler möge satt und zufrieden von dieser Welt scheiden. Dann bat er Stein, das Stück mit dem Hornzeichen zu verblasen, das ihm eigen war.
    Der Jagdherr strich einen anderen Bruch durch den Schweiß des Stückes, legte ihn auf seinen Hut und überreichte ihn Franz mit einem feierlichen „Waidmannes Heil“. Franz nahm den Bruch mit „Waidmannes Dank“ entgegen. Er zerteilte den Zweig, steckte sich die eine Hälfte an die rechte Seite seines Hutes und die andere Hälfte dem weißen Saupacker ans Halsband. Franz tätschelte seinem Lebensretter dankbar den Hals. Dem Hund, dem der Keiler übel mitgespielt hatte, ging es schon wieder so gut, dass er seine Wunden lecken konnte. Außer Schrammen und Prellungen davonzutragen, hatte auch er den Angriff überstanden.
    Inzwischen hingen die Jagdhelfer den Keiler mit einiger Mühe in einen Baum, damit Franz ihn eigenhändig aufbrechen und versorgen könne. Auch andere Jäger hatten Erfolg. Die erlegten Stücke wurden mit derselben Sorgfalt und Zeremonie bedacht. Ein Signal gab das allgemeine Ende der Jagd bekannt.
    Borowsky versammelte die Gesellschaft um sich und befragte seine Jäger, ob es noch der Nachsuche für krankes Wild bedürfe, was verneint wurde. Jedoch bemerkte einer der Männer, er habe am Vortag Spuren von Wilderern gefunden und werde deshalb auf einem anderen Weg zum Jagdhof zurückkehren. Er wolle im Revier Ausschau halten. Der Jagdherr wies ihm noch zwei Männer an die Seite. Zu dritt machten sie sich unverzüglich auf den Weg.
    Den Fußmarsch zurück zu den Gespannen, auch die Fahrt, die sich anschloss, erlebte Franz unter dem befriedigenden Gefühl, einer großen Gefahr entronnen zu sein. Außerdem hatte er sich mit seinem Jagdabenteuer die unverhohlene Anerkennung der Jäger verdient, die ihn nun als Gleichgesinnten betrachteten. Wie dünn das Seil war, worüber er balanciert war, wusste nicht nur Franz.
    Alle Jagdteilnehmer, auch die Jagdhelfer, wurden zum Schüsseltreiben eingeladen. Mit Einbruch der Dunkelheit kam die Gesellschaft hungriger Männer auf dem Jagdhof an, dort begrüßte sie ein äußerst appetitlicher Anblick: Schon seit einigen Stunden briet eine Sau, ein bereits abgehangenes Stück einer Jagd, die fünf Tage zurücklag, über knisterndem Feuer. Der erhellte Bereich mit dem herrlich duftenden Braten hob sich wie eine verheißungsvolle Insel von der nächtlichen Schwärze ab. Dem Burschen, der im Feuerschein ebenso glänzte wie der Braten, den er unermüdlich wendete, wurde immer mal wieder aufmunternd auf die Schulter geklopft.
    Franz spürte, wie der Rausch des Erfolges allmählich verebbte und der Erschöpfung Platz machte. Er war dankbar für den Sitzplatz in der Runde, die sich um das Feuer versammelte. Fackeln wurden aufgesteckt. Ihr Licht beschwor unruhig flackernde Bilder herauf. Becher und Teller gingen von Hand zu Hand. Hochprozentiges machte die Runde und lockerte die Zungen.
    Franz wurde wiederholt aufgefordert, sein

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