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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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gottverdammten Röhricht gewesen, auf der Stelle wäre mir dieselbe Idee wie diesem Münchhausen gekommen.“ Nun hatte Franz die Lacher auf seiner Seite.
    „Mein Gott, wer denkt sich so eine Geschichte aus? Mit solch gottgegebener Phantasie kann man die weite Welt belustigen.“
    „Der Verfasser dieser Zeilen ist leider erst nach seinem Tode berühmt geworden. Er ist vor zwanzig Jahren bettelarm gestorben. Lasst uns auf Gottfried August Bürger und sein Werk anstoßen.“ Borowsky hob seinen Becher und prostete in die Runde. Der willkommene Anlass wurde von den bezechten Männern freudig angenommen, wie sie wohl jeden weiteren Anlass zum Trinken begrüßt hätten.
    Inzwischen war der Braten fertig. Ein geschickter Bursche tranchierte und verteilte das duftende Fleisch. Es entstand heftiges Gedrängel um die besten Stücke. Die ansonsten mit Bedacht eingehaltenen Schranken zwischen Herrschaft und Dienstleuten wurden unter der Wirkung des Alkohols mehr und mehr eingerissen. Dem Genuss vieler Becher Schnaps war es auch zu danken, dass ein alter unscheinbarer Jagdhelfer den Mut fasste, mit einer Geschichte zur Unterhaltung aufzuwarten.
    „Seid doch mal still! Hannes kennt eine neue Geschichte“, wurde gerufen, als nicht alle mit der gleichen Aufmerksamkeit zuhörten. Bereitwillig verstummte die allgemeine Unterhaltung. Den alten Hannes befiel Schüchternheit, als er merkte, in den Mittelpunkt des Interesses gerückt zu sein. Er leckte sich verlegen die Lippen und begann von neuem.
    „Also, das war so ...“ Er räusperte sich und hob die Stimme. „Es war noch bei der alten Herrschaft und sehr lange her. Da kam der Herr eines Tages in den Jagdhof und meinte, er wolle mich mitnehmen auf die Jagd. Es war schon Herbst und die Blätter der Buchen bekamen ihren goldenen Schimmer.“ Die Augen des alten Mannes begannen zu glänzen und die Zuhörer meinten, er sehe alles so vor sich wie damals.
    „Die Kronen der Birken waren zitronengelb und die Beeren der wilden Ebereschen leuchteten. Das war zur Brunftzeit der Rothirsche. In der Nacht marschierten wir los. Es war stockfinster und ziemlich kalt. Nach einer Weile konnten wir das Röhren der Hirsche in der Ferne ausmachen. Es mussten eine ganze Menge gewesen sein, denn wir hörten sie in dieser Nacht oft. Nach dem Klang der Stimme suchte sich der Herr den mächtigsten aus und wir wandten uns in diese Richtung. Im Osten begann der Himmel grau zu werden. Endlich bekamen wir die Tiere zu Gesicht. Der Hirsch umkreiste die Herde der Tiere und war prächtig anzusehen. Mit erhobenem Kopf stand er da und röhrte. Der Herr stellte fest, woher der Wind kam, um unbemerkt näher zu kommen. Wir pirschten uns vorsichtig vor. Der Herr wies mich an, von Zeit zu Zeit den Hirsch mit einem nachgemachten Ruf zu locken, damit der sich melde und der Herr wisse, wo der Hirsch sei. Plötzlich, und mir fährt es heute noch durch Mark und Bein, hörten wir in unserer Nähe ein weiteres tiefes starkes Röhren.“ Hannes überprüfte bei seiner Zuhörerschaft, welche Wirkung seine Geschichte habe. Er stellte zufrieden fest, alle Männer hockten gleich ihm und seinem Herrn im Gebüsch.
    „Es mussten zwei mächtige Hirsche sein und wir waren genau dazwischen. Der Herr fürchtete, dass die Hirsche uns zu nahe und damit Witterung bekämen, um auf und davon zu rennen. Aber die Kerle hatten die Tiere in der Nase. Sie waren kampfeslustig. Die beiden Kraftprotzen ließen sich abwechselnd vernehmen und dröhnten die Herausforderung zum Kampf durch den noch dunklen Wald. Ich folgte dem Herrn zu einem alten Kahlschlag, auf dem er vermutete, die Hirsche beim Kampf anzutreffen. Das Aufeinanderkrachen von Geweihen und das Knacken trockener Äste bestätigte die Vermutung, noch bevor wir sie zu Gesicht bekamen. Wir zogen uns in einen alten verfallenen Waldarbeiterunterstand zurück und erlebten im heraufziehenden Morgen ein wunderbares Schauspiel – den Kampf von zwei mächtigen Hirschen. Ich war damals noch jung.“ Als müsse er alle Lauschenden davon überzeugen, nicht immer alt und faltig gewesen zu sein, wie die meisten der Männer ihn kannten, nickte Hans bekräftigend. „Und ich hatte vordem niemals so etwas gesehen. Die Hirsche knieten auf den Vorderläufen und drückten mit ineinander gehakten Geweihen. Dann sprangen sie plötzlich wieder auf, wichen zurück mit dem Gegner zugewandten, bis zur Erde geneigten Köpfen, um im nächsten Augenblick wieder gegeneinander zu rennen. Die Geweihe krachten. Der

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