Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
sich mit glänzenden Augen sofort auf den Weg in sein Arbeitszimmer.
Familienbande
Ludwigslust
Friedrich Graf Klotz saß in seinem einfach ausgestatteten Arbeitszimmer. Er erledigte die täglich anfallende Korrespondenz, die er nicht für geeignet hielt, seinem Sekretär anzuvertrauen. Der Graf schloss, ausgehend von seinem eigenen Verhalten, auf die Charakterzüge anderer Menschen, egal, ob diese edler oder gewöhnlicher Herkunft waren. Friedrich Graf Klotz traute niemandem, außer sich selbst und seinem eigen Fleisch und Blut, wie er zu sagen pflegte.
Andererseits unterließ er keine Gelegenheit, unbedacht oder unbedarft an ihn herangetragene Informationen sich sofort zunutze zu machen, und diejenigen, die ihm selbst nützlich erschienen, teilhaben zu lassen.
Seine Lebenseinstellung, der ererbte Titel und Geld hatten den Grafen zu einem einflussreichen Mann im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin gemacht.
Das gräfliche Anwesen in Ludwigslust repräsentierte seinen Status beeindruckend. Ganz im Gegensatz zu der Schlichtheit des Zimmers, in dem er regelmäßig den Vormittag mit Arbeit verbrachte, zierten die übrigen Räumlichkeiten des Hauses herrschaftliches Gepränge.
Dabei war der Graf keineswegs verschwenderisch bei der Ausstattung vorgegangen. Als Förderer des hiesigen Handwerks hatte er es nicht versäumt, eine Beteiligung an der Ludwigsluster Manufaktur für Papiermachéfertigung zu erwerben, die ihm eine recht preiswerte, aber nicht minder imposant wirkende Innendekoration seines Anwesens ermöglicht hatte.
Doch weit mehr als das Innere seines Hauses, das ohnehin nur wenige Auserwählte zu Gesicht bekamen, war ihm der äußere Eindruck seines Familiensitzes wichtig.
Deshalb hatte er sich den Luxus eines großen parkähnlichen Grundstücks geleistet, um das Haus durch einen im englischen Stil gehaltenen Vorgarten von der Straße fernzuhalten. Eine schmiedeeiserne Zaunanlage, unterbrochen von mächtigen steinernen Pfeilern mit teurer Sandsteinverblendung, unterstrich den Stellenwert des Eigentümers, der sich von der übrigen Welt abschotten konnte.
Hinter gepflegten Solitärgehölzen ragte ein imposantes Gebäude auf, das den spätbarocken Stil der landesfürstlichen Schlossanlage nicht unbeabsichtigt aufnahm. Freilich war der Graf nicht so vermessen gewesen, den Unmut des Großherzogs herauszufordern, aber der von vier Säulen getragene Überbau des Hauptportals, der gleichzeitig als Balkon diente, hatte einfach sein müssen.
Der Graf war sich seines Standes und seiner Stellung im Großherzogtum durchaus bewusst, hatten doch seine Ahnherren und die Altvorderen anderer adligen Familien die herrschenden Landesfürsten immerfort mit Geldern unterstützt. Zugegebenermaßen hatten sie dabei die eigenen Interessen nicht aus den Augen verloren.
Im 16. Jahrhundert hatte der chronische Geldmangel des Fürstenhauses die Grundlage für die in Mecklenburg herrschende gesellschaftliche Struktur geschaffen. Damals übernahmen belehnte Ritter die fürstlichen Schulden und erhielten im Gegenzug die Rechte des Grundherrn über ihre Lehen. Von da an konnten sie das Land vererben oder auch verkaufen. Es war nicht mehr an eine Lehenerneuerung vonseiten des Landesherrn gebunden.
Damit erübrigte sich auch das Wohlverhalten der Ritter gegenüber ihrem Fürsten. Die neuen Grundherren wussten diesen Umstand zu nutzen. Die Ritterschaft stieg zum Machtfaktor auf. Wie kleine Könige herrschten sie auf ihren Ländereien. Kein Gesetz, das den mächtigen Rittern nicht genehm war, schaffte seine Be-stätigung durch den Landtag, der im geteilten Lande Mecklenburg abwechselnd in Sternberg oder in Malchin einberufen wurde. Geld war stets und ständig der Schlüssel, mit dem die fürstlichen Tore geöffnet wurden. In die Rolle des Geldgebers sah sich der Graf also historisch berufen. In der Vergangenheit hatte er sich gern, wenn auch nur mit kleinen Gaben, dem Großherzog unentbehrlich gemacht. So brachte sich der Graf hin und wieder in Erinnerung.
Der Graf sah die Post durch, ob der Vierteljahresbericht von Stein dabei war. Nach den letzten mageren Jahren muss sich doch ohne Kriegsrisiken und Beschränkungen durch die napoleonische Kontinentalsperre auch wieder ein Erfolg einstellen, dachte er.
Nein, von Stein war noch nichts dabei, doch ein anderer Brief erregte seine Aufmerksamkeit. Das Couvert trug den Absender seines Hamburger Geschäftspartners, der in seinem Auftrage einen großen Teil der
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