Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Küfer, sagt Ihnen der Name etwas?“
Stein überlegte. „Küfer? Nein. Ich kann mich nicht erinnern.“
„Sind Ihnen irgendwelche Gewohnheiten von Johann vertraut, die mir Rückschlüsse auf seinen Umgang in Rostock geben könnten?“, fragte Franz zunehmend frustriert.
Stein bemerkte die verzweifelte Suche nach dem berühmten Strohhalm, an den man sich klammern könnte. Es setzte ihm zu, Franz so wenig helfen zu können. Obwohl er gewissenhaft alle Gespräche mit Johann gedanklich rekapitulierte, wollte ihm nichts Entscheidendes mehr einfallen. Er zog die Schultern entschuldigend hoch und sagte: „Es tut mir leid, das Leben auf dem Land ist so gänzlich verschieden von dem in der Stadt. Ich habe mit dem jungen Herrn nur beruflich verkehrt. Unser gemeinsamer Arbeitstag wich nicht von dem ab, was Sie mit mir zusammen hier kennengelernt haben. Ihr Bruder ist mir als pflichtbewusster und ehrgeiziger junger Mann bekannt. Die versäumten Prüfungen und sein spurloses Verschwinden passen so gar nicht zu seinem Wesen.“
„Ich verstehe.“ Franz war enttäuscht über die magere Ausbeute. Und Steins abschließende Einschätzung hatte seiner Besorgnis erneut Auftrieb gegeben.
„Ich danke für Ihre Mühe und Ihre freundlichen Unterweisungen der vergangenen Tage. Ich habe das Landleben nicht zuletzt Ihretwegen schätzen gelernt.“
Stein war erstaunt über die plötzliche Förmlichkeit des jungen Mannes, aber dann begriff er: Franz wollte sich verabschieden.
„Ich weiß nicht, ob ich Gelegenheit haben werde, das Gut noch einmal vor meiner Dienstaufnahme aufzusuchen.“ Franz wusste nicht recht, wie er fortfahren solle. Er schwankte zwischen Bedauern, den liebgewonnenen Ort, die hier ansässigen Menschen so schnell verlassen zu müssen, und dem Drang, die Spur seines vermissten Bruders aufzunehmen.
Stein nickte ihm zu und übernahm es, die Stimmung zu entkrampfen. „Es war mir eine besondere Freude, Sie kennenzulernen und ich wünsche Ihnen und Ihrem Vater, Johann möge bei guter Gesundheit sein.“ Er umarmte Franz kurz und klopfte ihm auf die Schulter. Dann wendete er sich organisatorischen Dingen zu: „Da ich annehme, Sie wollen mit der Post reisen, sorge ich dafür, dass Sie bei Dienstantritt Tizian in der Garnison vorfinden.“
Die Männer schüttelten sich im stillen Einverständnis die Hände.
Am vergangenen Abend hatten sich die Gerüchte bereits zu hohen Wellen aufgetürmt, bevor sie in die Küche fluteten. Elisabeth hatte ihre liebe Not damit, all dem Getuschel etwas wirklich Brauchbares abzugewinnen. Am Ende war sie es, die das Neueste vom Neuen verbreitete. Die plötzliche Abreise des jungen Herrn mit Reiseziel Rostock bot allerhand Gesprächsstoff. Die Bewohner des Gutes stürzten sich geradezu darauf, machten so ihren eintönigen Alltag etwas interessanter.
Auf Steins Veranlassung hin hatte die Köchin dem jungen Herrn ein Proviantpaket bereitet, mit dem Franz mühelos bis nach Danzig hätte reisen können. Nach dem gemeinsamen Frühstück mit seinem Vater brach er auf.
Franz saß in der Kutsche und schaute versonnen aus dem Wagenschlag. Es war noch früh. Milchig weißer Morgendunst hing über den Wiesen und Weiden des Gutes. Aus dem Dunst löste sich ein weißer Punkt, der schnell näher kam und schließlich Franz’ Aufmerksamkeit erregte. Der Punkt nahm Konturen an, formte sich zu einem kleinen Hund, der eine schwarze Augenklappe trug. Zeus bellte fröhlich die vorbeieilenden Gespannpferde an, wobei er sich wohl einbildete, maßgeblich an deren „Flucht“ beteiligt zu sein. Franz lehnte sich aus dem Schlag und winkte dem Reiter zu, der oben auf der Wiese den Hut zum Abschied schwenkte.
Die Suche beginnt
Rostock
„Na, wo fehlt es uns heute, Verehrtester?“ So oder ähnlich pflegte Doktor Ernst Ahrens seine Patienten zu begrüßen. Der junge Arzt betrieb seit einem Jahr eine gut besuchte Praxis in Rostock. Obwohl er noch nicht aus einem Quell reichhaltiger Erfahrung schöpfen konnte, wurde sein Rat von den Bürgern der Stadt gern und oft gesucht.
Ein beleibter älterer Herr mit hochrotem Kopf betrat das Untersuchungszimmer und ließ sich erschöpft auf einem bereitstehenden Stuhl fallen. Er wischte sich über die Glatze, von der dicke Schweißtropfen perlten.
„Ach, Herr Doktor“, jammerte er, „ich bekomme so schlecht Luft.“
Ahrens musterte sein Gegenüber, das in Wams und Rock aus gutem Wollstoff gekleidet war. Ein roter Abdruck rund um dessen Schädel verriet
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