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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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ein paar Dienstboten umher, die Besorgungen zu erledigen hatten. Jeder, der es sich leisten konnte, blieb in den kühleren Räumen der Häuser. Ahrens war froh, in einem der alten Backsteingebäude, die der letzte Stadtbrand verschont hatte, zu praktizieren. Selbst bei der allergrößten Sommerhitze herrschten – auch in den oberen Stockwerken – der altehrwürdigen Häuser noch erträgliche Temperaturen. Trotzdem wollte er sich gerade seines Rockes entledigen, als die Pendule mit einem melodischen Zweiklang an das ständige Vorrücken der Zeit erinnerte. Er fuhr herum. Sein Blick streifte den Phrenologischen Kopf, der gleich neben der Pendule auf der Anrichte stand, und blieb schließlich an dem zierlichen Ziffernblatt hängen. Unwillkürlich zog er seine silberne Taschenuhr hervor und ließ sie, sehr zufrieden mit ihrer Genauigkeit, wieder in seine Westentasche gleiten.
    Er beschloss, die Sprechzeit pünktlich zu beenden. Damit ein Spätentschlossener sein Vorhaben nicht durchkreuze, sperrte er die Tür zu, die seine Räumlichkeiten von einem verwinkelten Treppenhaus trennte. Dringende Fälle, so dachte er, machten gewiss durch eindringliches Klopfen auf sich aufmerksam. Außerdem hatte er anlässlich seiner Niederlassung in der Stadt die Adresse seiner Privatwohnung bekannt gemacht. Die Rostocker fänden ihn also, wenn sie denn seiner Hilfe bedurften. Und diejenigen, die warten konnten, sollten ihn am folgenden Tag aufsuchen.
    Der junge Arzt kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Er sah sein Notizbuch durch, in dem er seine Hausbesuche auflistete. Die alte Dame mit dem Knochenbruch war für eine Kontrolle des Streckverbandes erst für den nächsten Tag eingetragen. Aber das kleine Mädchen aus der Nachbarschaft war noch aufzusuchen. Ein Zufall hatte es gewollt, dass er gerade von einer Mahlzeit zurückgekehrt war, als die Tochter einer benachbarten Familie von einer Wespe gestochen worden war, und zwar tief im Rachen. Das wehrhafte Insekt schwamm wohl in der Steingutflasche, aus der das Kind Bier getrunken hatte. Das Mädchen wäre ohne seinen beherzten Eingriff elendiglich erstickt. Als das Geschrei der hilflosen Mutter an sein Ohr gedrungen war, hatte er nicht gezögert und einen Luftröhrenschnitt gesetzt. Heute war noch nach der Wunde und dem Röhrchen zu sehen, das er eingesetzt hatte. Sollte die Schwellung im Rachen zurückgegangen sein, wollte er es entfernen. Für die Wundnaht legte er sich Instrumente und Nahtmaterial zurecht, verstaute sie neben den Tinkturen, die er zur Wundsäuberung benutzte, in seiner Arzttasche. Bei einem letzten kontrollierenden Blick durch seine Praxis fiel ihm noch ein Buch ins Auge. Er griff danach und machte sich auf den Weg.
    Als er die schwere Eichenholztür des Torbogens öffnete, blendete ihn das hereinfallende Sonnenlicht. Er tappte wie blind auf die Straße. Im nächsten Moment spürte er einen Zusammenstoß. Das Buch entglitt seinen Fingern. Egal. Er griff mit beiden Händen nach seiner Tasche. Ihr zerbrechlicher Inhalt durfte auf keinen Fall auf das harte Pflaster des Trottoirs stürzen. Es sollte nicht dazu kommen. Erleichtert presste er die lederne Tasche an sich.
    Allmählich gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit. Erschrocken stellte er fest, sein urplötzliches Erscheinen habe einen jungen Mann von den Beinen gerissen. Er setzte die Tasche ab und untersuchte sein Opfer auf eventuelle Verletzungen. Dabei murmelte er ununterbrochen Entschuldigungen. Selbstredend stellte er sich als Arzt vor.
    „Bemühen Sie sich nicht, mir geht es gut“, konstatierte der junge Mann, während er sich aufrappelte. Das Buch lag aufgeschlagen auf dem Pflaster. In Erwartung medizinischer Abhandlungen erstaunte es den Umgerempelten, darin Abbildungen von mechanischen Apparaten zu erblicken. Er hob das Buch auf und reichte es Ahrens.
    Der hatte sich immer noch nicht über die eigene Ungeschicklichkeit beruhigt. „Kann ich mein Betragen mit einer Einladung auf ein kühles Bier ungeschehen machen, junger Mann?“, bot er an.
    „Bei der Hitze nähme ich Ihr Angebot sehr gern an, Herr Doktor Ahrens, aber ich muss erst Quartier beziehen. Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich die Eselföter-Straße finde?“
    „Gewiss, mein Herr ...?“
    „Oh, verzeihen Sie, ich habe mich gar nicht vorgestellt.“ Wohl aus Gewohnheit salutierte der junge Mann. „Franz von Klotz.“
    „Ah, lange beim Militär gewesen, was?“
    „Nicht gewesen, Herr Doktor, ich bin immer noch Soldat. Ich weile

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