Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
allerdings in privater Angelegenheit in Rostock.“
Ahrens musterte den jungen Mann interessiert, der einen einfachen, aber eleganten Anzug trug.
„Ja, die Eselföter-Straße, wie kommen Sie am besten dorthin?“, überlegte er laut. Dann wendete er sich nach rechts. „Sie gehen hier rauf bis zur Kröpeliner, dann biegen Sie nach links ab. Vor Ihnen öffnet sich dann ein dreieckiger Platz. Das ist der Hopfenmarkt, sie erkennen ihn auch an einem einzelnen Traufenhaus in seiner Mitte. Sie halten sich aber auf der linken Seite des Platzes. Und die zweite Straße links, die von dort abgeht, ist die Eselföter.“
„Ich danke Ihnen. Ich hoffe, es ist nicht mehr sehr weit?“
„Nein, nein. Und falls Sie noch Lust auf ein Gratisbier verspüren, so können Sie mich am Abend im Gasthaus dort, drei Häuser weiter, antreffen.“ Ahrens zeigte auf ein Wirtshausschild, das im Sonnenlicht blinkte. Die jungen Männer verabschiedeten sich und gingen in verschiedene Richtungen ihrer Wege.
Franz hatte die Reise und die Hitze des Tages mitgenommen. Glücklicherweise hatte er auf der Suche nach der richtigen Adresse nicht viel Energie verschwendet. Die Stadt war mit einem großzügigen Straßennetz sehr übersichtlich angelegt. Von Süden kommend vereinigte sich die Bützower Landstraße kurz vor dem Kröpeliner Tor, das Bestandteil der westlichen Stadtbefestigung war, mit der Doberaner Landstraße. Dort war er angekommen. Die aus vergangenen Jahrhunderten stammenden Wehranlagen der alten Hansestadt hatten ihn als Militär sofort beeindruckt. Der Charakter der Stadt war ihm fremd, vor allem die dunklen Schmuckgiebel der Bürgerhäuser, die sich dicht an dicht den Straßen zuwandten. Er kannte viele Städte, auch solche, die bedeutend größer waren als das mittelalterlich anmutende Rostock. Aber die kompakte, aus Backsteinen kunstvoll gefügte Präsenz der Handels- und Handwerkerfamilien, die hier seit vielen hundert Jahren ansässig waren, hatte der Stadt ein einzigartiges Gepräge gegeben.
Den Hopfenmarkt erkannte Franz dank der Beschreibung des Arztes sofort. Er passierte den Platz, wie ihm geraten worden war, überquerte die erste Seitenstraße und brauchte nicht lange zu laufen, da fand er die Gesuchte. Kaum hatte er den Fuß in die Straße gesetzt, überfiel ihn Beklommenheit. Auf der Fahrt nach Rostock hatte er Gelegenheit gehabt, die Papiere zu studieren. Er kannte die Hausnummer, ohne sich vergewissern zu müssen. Franz’ Schritte wurden immer schneller, fast rannte er schon.
Da, Nummer 15!
Ein schmales Backsteinhaus fügte sich recht unscheinbar in die Häuserzeile. Ein schwerer Türflügel knarrte unwillig, als Franz ihn aufstemmte. Im dunklen Flur schlug ihm der Geruch von Moder entgegen. Auch die Treppe schien sein Eindringen nicht zu wünschen. Jede Stufe ächzte unter seinen Stiefeln, so dass niemand lautlos in den ersten Stock gelangen konnte. Wahrscheinlich war das mit Bedacht so eingerichtet worden, denn im Erdgeschoss öffnete sich eine Tür. Eine grauhaarige bebrillte Dame schob sich in den Flur. Franz blieb stehen und wartete ab.
„Junger Mann, zu wem wollen Sie?“
„Ich besuche meinen Bruder, Johann von Klotz.“ Franz schlug das Herz bis zum Hals. Was würde die alte Dame sagen?
„Da haben Sie Pech, der ist nicht da“, wiegelte sie ab.
Trotz ihres unfreundlichen Tons, spürte Franz Erleichterung, nicht gleich von einer Unglücksbotschaft überrumpelt worden zu sein. Jedoch als er sich nach der brüsken Abfuhr nicht bequemte, den Platz auf der Treppe zu räumen, kam sie näher.
„Haben Sie nicht gehört? Ihr Bruder ist nicht da.“ Ihre Spitzenhaube zitterte nervös. Es war offensichtlich – sie duldete die Anwesenheit von Fremden nicht länger als nötig.
„Das macht nichts. Er hat mir einen Schlüssel überlassen. Ich werde in der Wohnung auf ihn warten“, gab Franz, Gleichmut vortäuschend, zurück.
„Wie Sie meinen.“ Die Frau winkte ab, machte aber auch keine Anstalten, ihren Beobachtungsposten aufzugeben.
Franz hatte keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit der unfreundlichen Person. Er ließ sie einfach stehen. Oben auf dem Flur gestand er sich jedoch ein, es wäre klug gewesen, nach der richtigen Zimmertür zu fragen. Im schummrigen Zwielicht standen ihm gleich vier Türen zur Auswahl. Die Blöße, nun nachträglich um Auskunft bitten zu müssen, wollte er sich aber auch nicht geben. Deshalb probierte er an der erstbesten Tür seinen Schlüssel aus, der sich
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